Ein Walliser in Bärn – «gääre» oder «gärn»?
Was hast du gesagt? Der eigentümliche Dialekt der Walliser wird in der anderen Schweiz oft nicht verstanden. Die Sprachwissenschaftler der Uni Bern untersuchten, ob Walliser in der «Üsserschwyz» ihren Dialekt wechseln.
Es klingt nach Sonne und Wein, nach Süden ennet dem Berg, unverkennbar urchig. Schön, aber verstehen tut man es trotzdem nur schwer: das «Wallisertitsch». Schnell entstehen Verständigungsprobleme, wenn die Oberwalliser, meist um eine Ausbildung zu machen, nach Bern ziehen. In der Bundesstadt tummeln sich viele: Von 1995 bis 2000 verzeichnete die Stadt jährlich 75 Zuzüger von der anderen Seite des Lötschbergs. Doch wie schlägt sich der Walliser in der «Üsserschwyz», wie er den Rest Helvetiens nennt, durch? Eine Thematik, die Iwar Werlen, Professor am Institut für Spachwissenschaften der Uni Bern sehr interessiert – er ist selber Exilwalliser. Bleiben die Walliser ihrem Dialekt treu, oder passen sie sich dem Berndeutschen an? Wird aus dem «Hüüs» ein «Huus», aus «gääre» ein «gärn» und aus dem «Robinet» plötzlich ein «Wasserhahn»? Werlen hat die Resultate seiner vierjährigen Studie nun als Broschüre publiziert.
Ein verwirrendes Phänomen
Die Studie fördert Erstaunliches zutage: Neuankömmlinge aus dem Wallis passten ihre Sprechweise zu Beginn ihres Aufenthalts mehr ans Berndeutsche an als später. 14 von 18 Befragten sprachen bei der wiederholten Befragung wieder vermehrt «Wallisertitsch». Sogenannte Dialektwechsler – wie übrigens Werlen einer ist, er spricht fliessendes «Bärndütsch» – gab es keine mehr, gemischt wurden die beiden Dialekte auch weniger. Dieses «verwirrende Ergebnis» führt der Sprachwissenschaftler auf einen anfänglichen «Migrationsschock» der Neuankömmlinge zurück. Dieser habe vorübergehend eine verstärkte Anpassung an das unbekannte Umfeld ausgelöst.
Mit der Zeit gewöhnten sich die Walliser an die Berner und merkten, inwieweit sie ihren Dialekt ändern müssen um verstanden zu werden. Auffallend ist gemäss Werlen auch, dass die Frauen durchs Band loyaler gegenüber ihrem Heimatdialekt sind als die Männer. Die Sprachwissenschaft kennt dieses Phänomen: Frauen sind sich im Allgemeinen der Sprache stärker bewusst und respektieren geltende Sprachideale mehr.
Frauen sind loyaler
Eine gesellschaftliche Tendenz untermauert Werlens Resultate: «Seit den 80er-Jahren geht der Anpassungsdruck zurück», sagt Werlen. Von den Radiostationen übers Fernsehen zur Rockmusik überschwemmte damals eine Mundartwelle die Schweiz und förderte das Selbstbewusstein der Leute, so zu sprechen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Das machte sicher auch Bern toleranter gegenüber dem «Wallisertitsch», und die Walliser selbstsicherer: Während von den Studienteilnehmenden, die vor 1980 in Bern angekommen sind, durchschnittlich 60 Prozent ins Berndeutsch wechselten oder zumindest eine Mischform sprechen, sind es bei den Neuankömmlingen der letzten sieben Jahre nur noch 10 Prozent.
«Züri Schnörri» bleibt einer
Die Schweiz ist sehr mobil geworden, alle sind überall. Wer passt sich denn nun wo an? «Generell gilt», so Iwar Werlen, «je mehr Personen einen Dialekt sprechen, desto weniger passen sich diese an einen anderen Dialekt an.» Anpasser kommen vor allem aus den Randregionen, die einen eigentümlichen Dialekt sprechen. Ein Zürcher bleibt also ein «Züri Schnöri» und eine Bernerin bleibt ein «Meitschi».
Weiterführende Informationen
Die Broschüre «Grüessech" und "Tagwoll". Das Sprachverhalten und die Lebenssituation der Oberwalliser und Oberwalliserinnen in Bern ist bestellbar beim Sekretariat des Instituts für Sprachwissenschaft, Unitobler/Länggassstrasse 49, 3000 Bern 9, (Fr.2.50 + Porto).