Mit Marie Curie in Bern doktorieren

Zehn Nachwuchsforschende aus ganz Europa haben die Gelegenheit, mit «BtRAIN» ein neuartiges Programm für Doktorierende zu absolvieren. Die Zusprache der Europäischen Union zur Durchführung des Programms erhielt die Berner Professorin Britta Engelhardt.

Von Marcus Moser 07. März 2016

Erfolgsquote die Erste: Weniger als 7 Prozent all jener europäischen Forschungsteams, die sich um die Ausrichtung eines Doktorierendenprogramms im Ramen der «Marie Skłodowska Curie Actions» bewerben, haben Aussicht auf Erfolg. Britta Engelhardt, Professorin für Immunbiologie, ist zufrieden: «Zwischen der Vision im Kopf und dem ausgereiften Forschungsantrag liegen zahlreiche Diskussionen, verworfene Konzepte und durchgearbeitete Wochenenden. Angesichts dieses Aufwands bin ich heute sehr erleichtert, vor der Antragstellung nicht gewusst zu haben, dass die Erfolgsquote aller Anträge so niedrig ist.» Britta Engelhardt gehört zu diesen Erfolgreichen. Gemeinsam mit Partnern aus acht europäischen Ländern führt sie mit BtRAIN ein Doktorierendenprogramm durch und hat hierfür aus den EU-Förderprogrammen für Forschung und Innovation im Rahmen von «Horizon 2020» rund 3 Millionen Euro erhalten.

Erfolgsquote die Zweite: 161 Kandidatinnen und Kandidaten haben sich um eine Doktorandenstelle im Rahmen von BtRAIN beworben. Zehn von ihnen haben sich am 3. März und 4. März 2016 zusammen mit ihren Betreuenden in Bern zum Start der Ausbildung getroffen. Fünf Frauen, fünf Männer, im Alter zwischen 24 und 28 Jahren und aus sieben europäischen Nationen. Auch diese Quote liegt unter 7 Prozent. 

Gelöste Stimmung am Kick-off: Die Doktorierenden von BtRAIN treffen sich erstmals in Bern. Fotos: Universität Bern / Manu Friederich
Gelöste Stimmung am Kick-off: Die Doktorierenden von BtRAIN treffen sich erstmals in Bern. Fotos: Universität Bern / Manu Friederich

Blut-Hirn Schranke als Herausforderung

BtRAIN steht für «Brain Barriers Training». Es geht dabei um Untersuchungen zur Funktion der Blut-Hirn Schranke, die verhindert, dass Krankheitserreger oder Giftstoffe vom Blut ins zentrale Nervensystem gelangen. «Diese Barriere ist für die Funktion des zentralen Nervensystems essentiell und bei vielen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Schlaganfall oder Alzheimerscher Erkrankung gestört», sagt Forscherin Engelhardt. «In BtRAIN werden diese Mechanismen untersucht – um letztendlich diese Barrieren therapeutisch beeinflussen zu können.»

Forschung über Barrieren hinweg

Seit Jahren sind die Forschungsgruppen, welche nun im Netzwerk BtRAIN zusammenarbeiten, an der Erforschung der biologische Prozesse, die bei der Reifung der Blut-Hirn Schranke eine Rolle spielen. «Ausserdem identifizierten die BtRAIN-Forschungsgruppen erste Gene, die speziell in den Blut-Hirn Schranken aktiv sind», erläutert Britta Engehardt. «Das sind möglicherweise Ansatzpunkte zur Entwicklung neuer Therapien bzw. diagnostischer Methoden.»

Der Verbund der Forschungsgruppen im BtRAIN ist zukunftsweisend, da er sich aus den unterschiedlichsten Disziplinen zusammensetzt. «Ursprünglich wurde die Blut-Hirn Schranken Forschung von den Gebieten der Physiologie und Pharmakologie dominiert», sagt Engehardt. In den vergangenen Jahren hätten jedoch vermehrt Forschende aus anderen Disziplinen, insbesondere der Molekularbiologie, der Entwicklungsbiologie und der vaskulären Zellbiologie wesentlich zum besseren Verständnis dieser Barrieren beigetragen. 

Stolz auf das neue Doktorierendenprogramm: Prof. Britta Engelhardt, Koordinatorin BtRAIN und Direktorin Theodor Kocher Institut TKI an der Universität Bern
Stolz auf das neue Doktorierendenprogramm: Prof. Britta Engelhardt, Koordinatorin BtRAIN und Direktorin Theodor Kocher Institut TKI an der Universität Bern

Neue Schwellen, neue Forschungsgruppen

«Ich bin der Überzeugung, dass dieses Forschungsgebiet heute an einer neuen Schwelle steht», erklärt die Forscherin im Gespräch. Neue analytische Methoden generierten enorme Datenmengen, die ohne Einbezug weiterer wissenschaftlicher Disziplinen – zum Beispiel Bioinformatik, Bioingenieurwesen oder Chemie – nicht adäquat untersucht und verstanden werden könnten. «Aus diesem Grunde entschloss ich mich, Forschende aus diesen Disziplinen für unsere Fragestellungen zu interessieren und ihre Ideen in unsere laufenden Forschungsprojekte einzubinden. Ich freue mich, dass dies mit der Interfaculty Bioinformatics Unit IBU unter der Leitung von Rémy Bruggmann gelungen ist.» Im neuen Doktorierendenprogramm soll diese Transdisziplinarität nun auf eine nächste Generation von Forschenden ausgeweitet werden. «Für mich besteht kein Zweifel, dass Fortschritt auf diesem Gebiet transdisziplinäres Denken und transnationale Zusammenarbeit erfordert», bekräftigt die Berner Forscherin.

Ein Berner Projekt im Rahmen von Horizon 2020

Die Doktorierendenprogramme der «Marie Skłodowska-Curie Actions» sind nach der aus Polen stammenden zweifachen Nobelpreisträgerin Marie Skłodowska-Curie benannt. Die Massnahmen enthalten Forschungsstipendien für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Europa und darüber hinaus. Die Unterstützung der ausgewählten Doktorierenden ist breit: «In finanzieller Hinsicht erhalten sie ein Gehalt, Mobilitätsunterstützung und je nach Familienstand zusätzliche Sozialleistungen», sagt Britta Engelhardt. Inhaltlich bietet sich den BtRAIN-Doktorierenden die Chance einer interdisziplinären akademische Ausbildung im Rahmen eines Europäischen Netzwerkes, welches den engen Austausch mit verschiedenen Labors, Firmen und anderen Europäischen Partnerorganisationen anbietet.  

Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass die Doktorierenden in BtRAIN entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Entdeckung in der Grundlagenforschung über die gesamte Technologieentwicklung hin ausgebildet werden. «BtRAIN leistet einen Beitrag zur Förderung einer völlig neuen Generation von jungen Forschenden», freut sich Koordinatorin Britta Engehardt. Heute sei «thinking out of the box» gefordert. «Diese Forschenden werden in der Lage sein, den Dialog zwischen den verschiedenen Disziplinen zu führen». Da ist sich Engelhardt sicher. 

Zur Person

Prof. Dr. Britta Engelhardt (1962) hat an der Universität Marburg und am Max-Planck Institut für Psychiatrie in Martinsried in Neuroimmunologie promoviert. Ihre Habilitation erfolgte 1998, seit 2003 ist sie Professorin für Immunbiologie und Direktorin des Theodor Kocher Institutes an der Universität Bern. Ihr Hauptforschungsgebiet sind molekulare Mechanismen bei neurologischen Entzündungen, beispielsweise die Interaktion der Immunzellen mit der Blut-Hirn-Schranke bei Multipler Sklerose und Schlaganfall. Sie ist Präsidentin des wissenschaftlichen Beirats der Schweizerischen Gesellschaft für Multiple Sklerose und Executive Board Member des European Journal of Immunology.

Kontakt

Prof. Dr. Britta Engelhardt
Theodor-Kocher-Institut (TKI)
Freiestrasse 1
3012 Bern
Telefon direkt: +41 31 631 41 43
Email: britta.engelhardt@tki.unibe.ch
 

Das Theodor Kocher Institut (TKI)

Das Theodor Kocher Institut (TKI) gehört zur Medizinischen Fakultät und bildet Bachelor- Master- und PhD-Studierende der Medizinischen Fakultät, der Vetsuisse Fakultät sowie der Philosophisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern aus. Gegenwärtig besteht das TKI aus 40-50 Forschenden (darunter 13 PhD- und drei Master-Studierende), die sich in sechs Forschungsgruppen aufteilen. Die Forschung am TKI beschäftigt sich mit Entzündungsprozessen. Hierbei werden vor allem die zellulären und molekularen Mechanismen der Immunzellwanderung durch den Körper mit Hilfe modernster mikroskopischer Verfahren - «live cell imaging» – untersucht. Prof. Britta Engelhard ist die Direktorin des Theodor Kocher Instituts.

Die Interfaculty Bioinformatics Unit (IBU)

Die Interfaculty Bioinformatics Unit (IBU) ist die zentrale Einrichtung für Bioinformatik für die Medizinische Fakultät, die Vetsuisse Fakultät und die Philosophisch-naturwissenschaftliche Fakultät. Am IBU arbeiten und forschen zurzeit 16 Personen. Leiter der Interfaculty Bioinformatics Unit ist Rémy Bruggmann, der zudem Gruppenleiter am Swiss Institute of Bioinformatics ist.

Zum Autor

Marcus Moser arbeitet als Leiter Corporate Communication an der Universität Bern.

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