Frauenförderung: «Neue Vorbilder sind enorm wichtig»
Die Zahlen sprechen Bände: an der Medizinischen Fakultät studieren auf Stufe Bachelor 60% Frauen, auf Stufe Professur verbleiben gerade noch 14% Frauen. Ähnlich sieht es bei vielen anderen Fakultäten aus. Abhilfe schaffen will unter anderem das Karriereprogramm COMET, das sich spezifisch an weibliche Postdocs und Habilitandinnen aller Fakultäten richtet und das nun in die zweite Runde startet. «uniaktuell» hat den Vizerektor Forschung Daniel Candinas und die ehemalige Teilnehmerin Kathrin Chlench nach Erfahrungen mit dem Programm gefragt.
Nach dem erfolgreichen Abschluss der ersten Runde startet das Karriereprogramm COMET im Mai 2018 mit zwanzig neuen Teilnehmerinnen. Das Karriereförderungsprogramm der Universität Bern ist Teil der universitären Strategie 2021. Es richtet sich spezifisch an weibliche Postdocs und Habilitandinnen aller Fakultäten und ergänzt die Mentoring-Programme an der Universität Bern.
«Dass es gerade an der Medizinischen Fakultät nach wie vor so wenige Frauen auf Stufe Professur gibt, ist teilweise ein Abbild gesellschaftlicher Konventionen», ist sich Daniel Candinas sicher. Die «leaky pipeline», wie das Ausscheiden von Frauen im Verlaufe der akademischen Karriere genannt wird, kommt hier deutlich zum Ausdruck: Auf Stufe Bachelor studieren 60% Frauen, auf Stufe Professur verbleiben gerade noch 14% Frauen. Weshalb?
«Oft schlagen traditionelle Rollenkonzepte zu»
«Den wissenschaftlichen Weg bis zum Ende zu gehen, ist gerade in Bereichen wie der Chirurgie eine riesige Herausforderung», betont Daniel Candinas. Denn vereinbart werden muss während langer Jahre nebst der wissenschaftlichen Arbeit und den Lehrverpflichtungen auch der Dienst in der Klinik. «Das ist an sich schon anspruchsvoll genug. Sobald Kinder dazu kommen, schlagen häufig die traditionellen Rollenkonzepte zu: Die Frauen reduzieren ihr Pensum, die wissenschaftliche Karriere verschwindet in weiter Ferne.» Deshalb gelinge die Kombination von klinischem Alltag, Wissenschaft und Familie nur in einer starken Partnerschaft. Und das bedeute, dass eben auch Männer leiser treten müssen, um der Partnerin den Rücken frei zu halten, anders gehe es nicht. An der Klinik von Candinas arbeiten drei Ärztinnen in leitender Funktion mit kleinen Kindern – sie alle haben Partner, die in Teilzeit arbeiten, zum Teil auch ihre wissenschaftliche Karriere an den Nagel gehängt haben. «Diese neuen Vorbilder, Männer wie Frauen, sind enorm wichtig», so Candinas.
Deshalb befürworte die Universitätsleitung das Karriereprogramm COMET ganz explizit: Diese gezielte, punktuelle Unterstützung in einer Phase, in der Wissenschaftlerinnen sehr unter Druck sind, sei genau das Richtige. Denn COMET fördert Nachwuchswissenschaftlerinnen mit Hilfe von Coaching, Mentoring und Training, um die angestrebte akademische Laufbahn erfolgreich zu realisieren. Bereits bei der ersten Durchführung 2017 war die Nachfrage gross: 42 Bewerbungen von Nachwuchsforscherinnen gingen ein, die Hälfte konnte aufgenommen werden.
Den eingeschlagenen Weg gezielt weitergehen
PD Dr. Kathrin Chlench-Priber, Oberassistentin am Institut für Germanistik, ist eine der 21 Teilnehmerinnen aus insgesamt sechs Fakultäten vom ersten Programm-Durchlauf. Ihr persönlicher Gewinn: «Das Programm COMET hat mir Mut gemacht, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.»
Besonders hilfreich war es, dass alle Teilnehmerinnen genau dort abgeholt und unterstützt wurden, wo sie sich gerade auf dem Karriereweg befinden. So hat Kathrin Chlench besonders von einer dreitägigen Retraite letzten Sommer am Gerzensee profitiert: Dort hat sie ein Berufungstraining absolviert, das nebst detaillierten Informationen zum Ablauf der Anstellungsverfahren für Professuren auch viele praktische Übungen beinhaltete. Das habe ihr Selbstvertrauen gestärkt, so dass sie mit sehr guten Voraussetzungen ihren ersten Probevortrag in einem Berufungsverfahren absolviert hat, zu dem sie Anfang 2018 eingeladen worden ist.
Ebenfalls sehr wertvoll war das Mentoring-Angebot im Rahmen des COMET-Programms: «Als Mentorin habe ich eine Professorin von einer anderen Universität, aber aus derselben Fachrichtung ausgewählt. Sie hat mich eingeladen, an einer von ihr organisierten Tagung ein Referat zu halten und hat mir Rückmeldungen zu meinem Auftritt und auch zu den Inhalten meines Vortrages gegeben. Mein hiesiger Betreuer, Prof. Dr. Michael Stolz, unterstützt mich bestens auf meinem Weg, dennoch war mir das zusätzliche Feedback meiner Mentorin überaus hilfreich.»
Chlench-Priber ist Mutter eines fünfjährigen Jungen und das Vereinbaren von familiären Verpflichtungen und wissenschaftlicher Karriere war in den vergangenen Jahren nicht immer ganz einfach. «Mein Mann hat, als unser Sohn ein Jahr alt war, sein Pensum auf 30% reduziert, heute arbeitet er 50%. In dieser Zeit wird unser Kind in der Universitäts-Kita bzw. im Kindergarten betreut. So arbeite ich, seitdem mein Sohn einjährig ist, wieder 100% und kann voll auf meine akademische Arbeit setzen.» Dieses Modell, in der Schweiz nach wie vor ungewöhnlich, stimmt für sie beide. «Mein Mann hat zu Hause den viel anstrengenderen Job als ich!», meint sie lachend.
Auch über Vereinbarkeitsfragen hätten sich die Teilnehmerinnen am ersten COMET-Programm viel ausgetauscht: «So unterschiedlich die Fachrichtungen und der Ausbildungsstand der Teilnehmerinnen auch waren, die Hürden sind für alle dieselben.» Diskutiert hätten sie primär Fragen rund um die Vereinbarkeit von akademischer Karriere und Familie und um die prekären Arbeits- und Lebensbedingungen angesichts der befristeten Anstellungen und unsicheren Zukunftsperspektiven.
Signalwirkung auch über die Universität hinaus
Vereinbarkeitsfragen sind ein grosses Thema und sie beginnen bereits in der Schwangerschaft – das weiss auch Vizerektor Forschung Daniel Candinas: Im Fall einer Schwangerschaft sind die Ärztinnen in seinem Team prinzipiell vom Nachtdienst und von langen Operationen ausgenommen. «Dennoch kommt es immer wieder vor, dass sie selbst es wünschen, ganz normal weiterzuarbeiten, um die Patientinnen und Patienten auch im Operationssaal betreuen zu können.» Wenn die Schwangerschaft unkompliziert verlaufe, lasse er mit sich reden, absolutes Verbot für belastende Arbeiten gibt es dann aber im letzten Schwangerschaftsdrittel. Das sei immer auch eine Gratwanderung und erfordere gegenseitiges Vertrauen und gute Absprachen. «Man muss den Mut haben, junge Frauen zu fördern», meint Daniel Candinas. Elementar sei insbesondere die frühe Förderung, weit vor der Professur. Er hofft, dass das Karriereprogramm COMET in dem Sinne Signalwirkung hat – auch über die Universität Bern hinaus.
COMET
Das Karriereförderungsprogramm der Universität Bern ist Teil der universitären Strategie 2021. Es richtet sich spezifisch an weibliche Postdocs und Habilitandinnen aller Fakultäten und ergänzt die bereits bestehenden fakultären und studentischen Mentoring-Programme an der Universität Bern.
COMET startet 2018 in die zweite Runde und wird bis 2020 voraussichtlich jährlich durchgeführt. Pro Runde werden je 20 Plätze kompetitiv vergeben. Die Coachings, Mentorings und Trainings werden nach Bedarf auf Deutsch und/oder Englisch durchgeführt.
Bewerbungsfrist für die zweite Durchführung des Karriereprogramms COMET ist der 16. März 2018
Zur Autorin
Lilian Fankhauser ist Co-Leiterin der Abteilung für Gleichstellung der Universität Bern.