Wirtschaftstauglich mit Bologna

Können und sollen die neuen Bachelor- und Master-Studiengänge auf die Bedürfnisse der Wirtschaft zugeschnitten werden? Die Antworten auf diese strittige Frage fielen an der 4. Bologna-Tagung sehr vage aus.

Von Andrea Strässle 05. Oktober 2004

Wie können die neuen Studiengänge den Ansprüchen des Arbeitsmarktes entgegen kommen? Die Fragestellung war heikel. Das wurde bereits vor Beginn der 4. Bologna-Tagung der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten (CRUS) am vergangenen Donnerstag in Zürich klar. Vor dem Hörsaal, in dem getagt wurde, entrollten Aktivisten des Verbandes der Schweizer Studierendenschaften VSS Transparente und forderten mit Flugblättern: Keine Ausrichtung der universitären Ausbildungsgänge auf die Bedürfnisse der Wirtschaft.


Konrad Osterwalder, Rektor der ETH Zürich, bemängelte, dass die Universitäten oft gar nicht wüssten, welches Profil sich die Wirtschaft wünscht. (Bilder: Andrea Strässle)

Im Hörsaal fielen die Aussagen dagegen eher vage aus. Zunächst wurde debattiert, was sich die Wirtschaft überhaupt von einem Stellenanwärter wünscht. Konrad Osterwalder, Rektor der ETH Zürich, stellte fest: «Die Wirtschaft hat Mühe, ihre Anforderungen an Hochschulabsolventen zu formulieren und zu gewichten.» Economiesuisse-Vertreter Andreas Steiner entgegnete, dass es die Wirtschaft schlicht nicht gebe und die Bedürfnisse dementsprechend breit und unterschiedlich seien.

Ein Profil des idealen Stellenkandidaten kristallisierte sich im Verlauf der Tagung dann aber doch heraus: Der Absolvent oder die Absolventin soll über eine solide theoretische Basis sowie bereits praktische Erfahrung verfügen, Englisch beherrschen und Soft Skills wie Kommunikationsfähigkeit, Kreativität und strukturierendes Denken mitbringen – und das alles in möglichst jungem Alter. Doch ist es realistisch, sich in der Studienzeit ein solches Profil zuzulegen? «Den Föifer und s Weggli – das geht nicht», lautete ein Votum. Doch welche der geforderten Kompetenzen letztendlich die Hochschule vermitteln soll, blieb unbeantwortet.

Bachelor-Absolventen sind attraktiv

Die Geschäftsleitungen sind laut Andreas Steiner besonders gespannt, wie die Master- und Bachelor-Studiengänge die Absolventen etwa in Sachen Führungsfähigkeit oder Projektmanagement schulen können. Jetzt schon über die Qualität des Bachelors zu urteilen, sei verfrüht - man warte ab. Grundsätzlich sind die jüngeren Bachelor-Absolventen für die Unternehmen jedoch attraktiv: Ihnen bleibt mehr Zeit für die berufliche Lebensplanung ausserhalb der Uni. «Wenn der Bachelor nicht in die Arbeitswelt führt, dann könnte man die Reform aus Sicht der Wirtschaft gleich lassen», lautete Steiners klares Votum.

Kritischer gegenüber dem Bachelor zeigte sich Heinrich Koller am Beispiel der Juristen. Der Direktor des Bundesamtes für Justiz ist damit auf einer Linie mit den Empfehlungen der Rektorenkonferenz, die den Master als Regelabschluss vorsehen. Das dreijährige Studium möge genügen für Stellen, bei denen stets ähnliche Probleme anfielen: etwa für Gerichtsschreiber, Juristinnen im Handelsregisteramt oder Wirtschaftsjuristen, die in den Unternehmen aus- und weitergebildet würden. Für einen Anwalt oder ein Richteramt sei jedoch ein Master als Voraussetzung absehbar. Mit seiner Schlussbemerkung verwies er zurück auf den zentralen Anspruch an Hochschulabsolventen: «Wir brauchen berufsfähige, nicht berufsfertige Juristen – ob mit Bachelor oder Master.»


Keine Studierende nach Mass der Wirtschaft will Lea Brunner vom europäischen Dachverband der Studierenden.

Vier Ziele eines jeden Hochschulabschlusses listete Lea Brunner als Vertreterin des europäischen Dachverbandes der Studierenden (ESIB) auf: die persönliche Entwicklung, die Vermittlung einer breiten Wissensbasis, die Vorbereitung auf ein Leben als aktives Mitglied einer demokratischen Gesellschaft, und erst an vierter Stelle die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt. „Wir wollen nicht, dass die Hochschulen Studierende nach Mass für bestimmte Wirtschaftssektoren produzieren“, sagte sie. Zudem forderte Brunner die Unternehmen auf, sich nicht nur Praxis zu wünschen, sondern auch Praktikumsstellen anzubieten. «Die Studenten werden kommen», versicherte sie.

Die Studierenden-Vertreterin betonte, dass die Studentenschaft bereit sei, die Reform aktiv mitzugestalten und mitzutragen. Doch gleich den demonstrierenden Studierenden warnte sie davor, sich Illusionen hinzugeben: «Selbst wenn die Studiengänge noch so wirtschaftskonform umgestaltet werden – dadurch wird auf dem Arbeitsmarkt keine einzige zusätzliche Stelle geschaffen.»

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