Zufrieden mit der Uni als Arbeitgeberin?
Mehr als drei Viertel der Doktoranden und Privatdozentinnen der Uni Bern sind mit ihrer Arbeitssituation grundsätzlich zufrieden. So lautet das Ergebnis einer Umfrage der Mittelbauvereinigung (MVUB). Vergleicht man die Resultate mit alten Daten, hat die Zufriedenheit jedoch abgenommen. Über die Studie sprach «uniaktuell» mit dem Präsidenten der MVUB.
Herr Weingartner, Sie haben den akademischen Mittelbau gefragt, wie attraktiv die Universität Bern als Arbeitgeberin ist. 80 Prozent der Befragten sind mit ihrer Arbeitssituation grundsätzlich zufrieden. Eine gute Quote, oder?
Rolf Weingartner: Es kommt sehr darauf an, wie man die Studie liest. Es ist richtig, dass etwa drei Viertel mit ihrer Arbeitssituation «eher zufrieden» als «unzufrieden» sind. Wenn wir jedoch unsere Ergebnisse mit Resultaten einer Personalbefragung von vor drei Jahren vergleichen, zeigt sich hinsichtlich der Zufriedenheit eine eindeutige Verschlechterung.
Rolf Weingartner ist Präsident der MVUB. Er arbeitet als Titularprofessor am geographischen Institut und gehört damit zum oberen Mittelbau. (Bilder: Stefan Wermuth)
Was schätzen die Befragten an der Uni als Arbeitgeberin, was weniger?
Weingartner: Mit dem Arbeitsklima und den Arbeitsinhalten sind die Mittelbauler sehr zufrieden. Positiv wurde im Durchschnitt auch die Führung durch die Vorgesetzten bewertet. Im Gegensatz dazu waren die Befragten mit den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten, den allgemeinen Arbeitsbedingungen und der Entlöhnung an der Uni «eher unzufrieden». Es gilt nun die Schwächen abzubauen und die Stärken auszubauen.
Welche Unterschiede gibt es an den einzelnen Fakultäten beziehungsweise Instituten bezogen auf die Arbeitszufriedenheit?
Weingartner: Auffällig ist, dass die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler weniger zufrieden sind als die Mitarbeiter an den anderen Fakultäten. Weshalb dies so ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Aussagen über einzelne Institute können und wollen wir anhand unserer Studie nicht machen. Auch wenn die Rahmenbedingungen für den Mittelbau an den unterschiedlichen Instituten sehr verschieden sind, geht es nicht darum «schwarze Schafe» zu benennen.
Der Mittelbau setzt sich aus dem unteren und dem oberen Mittelbau zusammen. Zur ersten Gruppe gehören Doktorierende mit Jahresverträgen; zur zweiten Dozierende, die unbefristet angestellt sind. Müssten Sie die beiden Gruppen nicht getrennt voneinander befragen?
Weingartner: Sie haben Recht, unsere Gruppe ist sehr heterogen. Anhand unserer Daten ist es allerdings möglich, ein differenziertes Bild zu zeichnen. Wir wissen, dass ungefähr 70 Prozent der Befragten aus dem unteren Mittelbau stammen. Die Anliegen der Doktorierenden und Assistenten kommen in der Studie also stärker zur Geltung als die der Privatdozentinnen und Titularprofessoren.
«Nur für jeden fünften Studierenden ist die Universität Bern eine wirklich attraktive Arbeitgeberin.»
Die Mittelbauler stufen etwa die Entlöhnung und die Anstellungssicherheit als verbesserungswürdig ein. Dagegen empfinden sie die fachliche Forderung und den Abwechslungsreichtum ihrer Arbeit als positiv. Ist das nicht der Preis, den man für einen Job an der Uni zwangsläufig zahlen muss?
Weingartner: Es mag sein, dass man angesichts der Faszination für die Wissenschaft kurzfristig bereit ist, den Preis zu zahlen. Langfristig, und gerade wenn für eine Familie gesorgt werden muss, braucht es jedoch alle Faktoren, die ein zufriedenes Arbeitsleben ausmachen. In diesem Zusammenhang ist die Anstellungssicherheit sehr wichtig. Wir meinen damit nicht eine Anstellung auf Lebenszeit. Sozial bedeutend ist es bereits, eine Perspektive für die nächsten drei bis fünf Jahre zu haben. Ausserdem muss man sich vor Augen führen, dass es kein Überangebot an Doktorierenden mehr gibt. Vielmehr haben einzelne Fachrichtungen bereits Probleme, überhaupt Doktorierende zu finden. Deshalb müssen wir entsprechend gute Arbeitsbedingungen bieten, auch finanziell.
Im zweiten Teil ihrer Studie haben Sie Studierende, die kurz vor dem Abschluss stehen, befragt. Wie viele von ihnen würden gern an der Uni Bern arbeiten?
Weingartner: Nur für jeden fünften Studierenden ist die Universität Bern eine wirklich attraktive Arbeitgeberin. Dieses Ergebnis zeigt, dass es künftig zu einem massiven Nachwuchsproblem kommen könnte. Ob die Leute noch an der Universität arbeiten und forschen wollen, ist jedoch entscheidend für die Zukunft der Hochschule.
«Neben dem Ordinariat müssen sich andere Perspektiven für die Doktorierenden abzeichnen.»
Was muss an der Arbeitssituation des Mittelbaus verbessert werden?
Weingartner: Grundsätzlich sollten im Mittelbau nachhaltige Strukturen geschaffen werden, insbesondere für den unteren Mittelbau. Es müssen sich neben dem Ordinariat andere Perspektiven für die Doktorierenden abzeichnen. 18 Prozent der Studierenden schreiben eine Dissertation, nur ein bis zwei Prozent werden Professor. Zudem gilt zu bedenken, dass alle zwei bis vier Jahre mit dem Abschluss einer Dissertation viel Know-How verloren geht. An manchen kleinen Instituten gleicht das einem Kahlschlag.
Und konkret?
Weingartner: Die Studie zeigt, dass insbesondere die Arbeitsbedingungen, die berufliche Entwicklung und die Entlöhnung verbesserungswürdig sind. Viele Instrumente, die zur Verbesserung beitragen können, gibt es an der Universität bereits. Sie müssen nur konsequenter eingesetzt werden. So sollten die Berufsbilder im unteren Mittelbau klarer umschrieben sein. Bei der Anstellung müssten die Rahmenbedingungen besser kommuniziert werden, sowie ein Karriereplan und Pflichtenhefte individuell erarbeitet werden. Mitarbeitergespräche sollten etabliert werden. Der obere Mittelbau bräuchte mehr Anerkennung vom Oberbau und den nötigen Freiraum für die eigene Forschung. Zudem müsste der Oberbau noch mehr Führungsverantwortung übernehmen.
Wer muss nun handeln?
Weingartner: Es entsteht derzeit eine Arbeitsgruppe, die auf Basis der Studienergebnisse konkrete Massnahmen planen und umsetzen wird. Ihr werden Vertreter des Mittelbaus, der Unileitung und der Nachwuchsförderkommission angehören. Generell hat die Unileitung die Bedeutung des Mittelbaus erkannt und fördert uns massiv. Ein Stück weit müssen wir nun für unser eigenes Glück sorgen