Die Quadrathletin

Sie rennt, schwimmt und radelt; und das ziemlich erfolgreich. Daneben studiert die Triathletin Nicole Klingler in Bern Medizin. Wie sie diesen Quadrathlon bewältigt, erzählte Ironwoman Klingler.

Von Sabine Olff 30. November 2004

Nicole Klingler kommt gerade aus dem Schwimmbad. Es ist Dienstagnachmittag, 16 Uhr. Die braunen, halblangen Haare sind noch etwas nass. «Eigentlich», gesteht die 24-Jährige, «stand heute Nachmittag eine Vorlesung zum Thema Epilepsie in der Agenda.» Doch Nicole hat lieber ihre Bahnen im Schwimmbecken abgespult, eine Stunde lang. Davor war sie 90 Minuten joggen. «Ich bin sicher keine 1A-Studentin», sagt die angehende Medizinerin. Dafür ist sie eine von denen, die hintereinander 3,8 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer laufen können. Sie kann es nicht nur, sie ist sogar richtig schnell: Im vergangenen Jahr lief sie beim legendären Ironman auf Hawaii nach 10 Stunden, 37 Minuten und 24 Sekunden über die Ziellinie und war damit die beste Frau in ihrer Altersgruppe. Am 16. Oktober 2004 trat sie in Kona an, um ihren Age-Group-Titel zu verteidigen. Doch bei Radkilometer 130 musste sie aufgeben. Das Knie habe höllisch wehgetan, erzählt sie. Geschmerzt hatte es schon beim Schwimmen. Trotz Aufgabe: Nicole ist eine richtige Ironwoman, sympathisch noch dazu.

Nicole vorm Hauptgebäude der Uni ... (Bild: Sabine Olff)

Ausser wenn es hagelt

Die für Liechtenstein startende Dua- und Triathletin will aber nicht nur im Sport erfolgreich sein. Sie will auch eine gute Ärztin werden. Seit vier Jahren studiert sie an der Uni Bern Medizin – wenn auch ein wenig anders als die anderen. Ihre liebste Disziplin ist nicht etwa die Sport-, sondern die Allgemeinmedizin. Wegen des Studiums ist die Liechtensteinerin nach Köniz bei Bern gezügelt. Zur Uni fährt sie mit dem Velo. «Ausser wenn es hagelt», sagt Nicole. Sie läuft, schwimmt und radelt während ihre Kommilitonen noch in den Betten liegen, im Hörsaal sitzen, zusammen Mittag essen oder Kaffee trinken. Durchschnittlich trainiert sie 20 Stunden pro Woche, manchmal können es auch 30 sein. Einen Trainer gab es bislang noch nicht. «Ich mache sowieso was ich will.» 

Lesen und zusammenschreiben

Ob bei einem solchen Trainingspensum das Studium und das Leben nicht zwangsläufig auf der Strecke bleiben, fragt die Journalistin. «Nein», sagt Nicole. Sie habe ihren eigenen Zeitplan. Wenn die Zeit knapp wird, steht sie eben schon um fünf Uhr auf. An die Vorlesungen fühlt sich Nicole nicht unbedingt gebunden. Sie lerne nicht durch zuhören, sondern durch lesen und zusammenschreiben. «Wo ist da das Problem?», vermag Nicole mit ihrem Blick zu fragen. Abends geht sie ab und zu aus, wie andere auch. Und manchmal fährt sie am Wochenende nach Deutschland, denn da wohnt der Freund, ein Triathlet. An strenge Zeiten kann sich die Sportlerin aber schon erinnern. Im Juli 2002 zum Beispiel: Freitags waren die letzten Prüfungen, zwei Tage später stand sie beim Ironman Switzerland am Start. Und? Die Prüfungen hat sie bestanden, beim Triathlon ist sie als elfte über die Ziellinie gerannt.

 

... und beim Training auf Hawaii. (Bild: privat)

Erfolgsrezept: Studium und Spitzensport

Anscheinend braucht Nicole Klingler die Kombination aus Spitzensport und Studium sogar. 2003 pausierte sie beim Studieren und trat als Profi bei den Wettkämpfen an. Das Jahr sei abgesehen vom Ironman auf Hawaii nicht sehr erfolgreich gewesen, erzählt sie. «Ich hatte plötzlich Zeit und trainierte zu viel.» Das Übertraining zehrte an ihren Kräften. In den Jahren, in denen sie auch im Hörsaal sass, lief es besser: 2002 wurde sie Duathlon-Europameisterin in der Kategorie U23 und im September 2004 radelte und rannte sie sich auf den dritten Rang bei der Powerman-Weltmeisterschaft in Zofingen. In der Powerman-World-Serie belegte sie in diesem Jahr sogar Platz zwei. Ihre Ziele? «Mit dem Sport will ich solange weitermachen wie es Spass macht», sagt Nicole. Und sie will noch besser werden. Das Studium will sie schaffen – ohne Ehrenrunde. «Im nächsten Jahr wird es allerdings hart», blickt sie voraus. Ab Januar arbeitet Nicole als Blockstudentin für ein Jahr im Spital. Von Montag bis Freitag ist die Ärztin in spe dann mindestens acht Stunden pro Tag in der Klinik per pedes unterwegs. Fürs Laufen, Schwimmen, Velofahren bleibt dann selbst Nicole Klingler nicht mehr so viel Zeit wie bisher.