Die Klimageschichte Südamerikas
In den argentinischen Anden gelang es dem Berner Geoökologen Andreas Schellenberger 1,2 Millionen Jahre Klimageschichte zu rekonstruieren. Für seine Arbeit erhielt er kürzlich den Dissertationspreis des Verbandes der Geographen an Deutschen Hochschulen.
Heute wachsen am Fuss der nordargentinischen Anden Zitrusfrüchte. Ein warmes, feuchtes Klima schafft dort fruchtbare Bedingungen. Das war nicht immer so: Feuchtphasen wurden in den vergangenen 1,2 Millionen Jahren mindestens 32 Mal von Trockenzeiten unterbrochen. Diese periodischen Klimawechsel hat Andreas Schellenberger vom Geographischen Institut der Uni Bern durch Auswertung des derzeit ältesten, terrestrischen Klimaarchivs der Südhalbkugel dokumentiert.

Kleine Sensation
So lang und lückenlos in die Klimageschichte Südamerikas zurückblicken zu können, sei eine kleine Sensation, erläutert Schellenberger. Das hat auch der Verband der Geographen an Deutschen Hochschulen (VGDH) erkannt und Schellenberger kürzlich für seine Untersuchung den mit 1'500 Euro dotierten Dissertationspreis für Physische Geographie verliehen.
Den Blick in die Vergangenheit gewährten Schellenberger offen liegende Gesteine im Tafi-Tal in den argentinischen Anden. Dieses lockere Gestein bildete sich über die letzen 1,2 Millionen Jahre durch Ablagerung von heran gewehtem hellem, sehr feinem Staub. Noch heute spiegeln sich Feuchtperioden durch dunkle, verwitterte Bereiche in verschiedenen Tiefen dieses Gesteins wieder. In Trockenzeiten dagegen wurde lediglich neuer Löss - wie der feine Staub in der Fachwelt genannt wird – abgelagert; Verwitterungen fanden nicht satt. Bevor der Berner Wissenschaftler den Löss genauer unter die Lupe nahm, ging man davon aus, dass die ältesten Gesteinsschichten im Tafi-Tal allerhöchstens Auskunft über das Klima der letzten 30’000 Jahre geben könnten.
Klimawandel begann in den Tropen
Spannender als dieser Rekord allein, ist nun aber die Möglichkeit mit den Daten das Klima in einer Zeit rekonstruieren zu können, in der sich die Klimabedingungen auf der Erde fundamental geändert haben. Vor etwa 900’000 Jahren ereignete sich ein markanter Wandel in der Periode mit der sich Eis- und Warmzeiten auf der Erde abwechselten: Die einzelnen Perioden dauerten nicht mehr 41'000 sondern 100'000 Jahre. Warum sich die Zeitintervalle geändert haben und wie sich dieser Wandel abgespielt hat, ist bis heute ungeklärt.
Schellenbergers Rekonstruktion der Feucht- und Trockenperioden dokumentiert diese Änderung im globalen Klimasystem ebenfalls. Allerdings fand diese in den Anden etwa 90’000 Jahre früher statt, als dies aus den bisherigen Temperaturrekonstruktionen ausserhalb der Tropen hervorgeht. Schellenberger schliesst daraus, dass der fundamentale Klimawandel vor 900'000 Jahren zuerst in den Tropen einsetzte. Ausserdem zeigen beide Klimaphänomene seither ein abweichendes zeitliches Muster. Während die Temperaturschwankungen zwischen Warm- und Eiszeiten seit 900'000 Jahren mit einer Periode von etwa 100'000 Jahren verlaufen, lässt der Löss Perioden von 23'000 und 41'000 Jahren für die südamerikanischen Feucht- und Trockenphasen im selben Zeitraum erkennen. «Dieser Klimazyklus besitzt seine eigene Regelmässigkeit», sagt der Berner Geoökologe.

Skandinavien beeinflusst Klima in den Tropen
Schon länger ist bekannt, dass die Tropen, und somit auch Südamerika, wichtig für das globale Klima sind. Beeinflussen entfernte Gebiete aber auch die Feuchtigkeitsverhältnisse in den zentralen Anden? Schellenberger ging der Frage nach und betrat damit Neuland. Modellstudien im Rahmen seiner Arbeit deuten an, dass das Amazonasgebiet wahrscheinlich die Quelle für die Feuchtigkeit in den Anden ist. Grossräumige Abholzungen in dieser Region könnten sich also in Zukunft direkt auf die südamerikanischen Feuchteverhältnisse auswirken, warnt Schellenberger.
Für den Feuchtigkeitstransport spielt anscheinend der Passat-Wind und auch die klimatischen Bedingungen auf der weit entfernten Nordhalbkugel eine wichtige Rolle. Demnach würde das Klima der hohen Mittelbreiten, also auf der Höhe von Skandinavien, auch das Klima in den Tropen beeinflussen. Die Resultate dieser Modellstudien sind derzeit für eine Publikation eingereicht. Drei weitere Veröffentlichungen aus Schellenbergers umfangreicher Doktorarbeit sind bereits in international renommierten Fachzeitschriften erschienen.