Ein Herz für Kinder

Der Berner Kinderchirurg Zacharias Zachariou hilft wo er kann – nicht nur in der Schweiz. Die medizinische Universität im rumänischen Cluj-Napoca verlieh ihm für sein Engagement kürzlich den Ehrendoktortitel. Er hat dort eine kinderchirurgische Station aufgebaut.

Von Sabine Olff 28. Februar 2005

Mit dem Sturz von Nicolae Ceausescu erfuhr die Welt, wie sehr die Rumänen unter der Diktatur gelitten haben. Zacharias Zachariou, Direktor der Chirurgischen Universitäts-Kinderklinik in Bern, besuchte Rumänien Anfang der neunziger Jahre. Damals arbeitete er als Kinderchirurg am Heidelberger Universitätsspital. Zachariou sah Kinder in Waisenhäusern, die «wie Hühner in Ställen» zusammengepfercht worden waren. Er registrierte den Notstand in der medizinischen Versorgung, insbesondere bei den kleinen Patienten. Spezielle kinderchirurgische Einrichtungen gab es in ganz Rumänien nicht. Zachariou wollte helfen. Er entschloss sich eine kinderchirurgische Station an der Universität für Medizin und Pharmazie «Iuliu Hatieganu» in Cluj-Napoca aufzubauen. Cluj-Napoca ist mit mehr als 320'000 Einwohnern die drittgrösste Stadt Rumäniens.

Foto von Zacharias Zachariou und Ioan Paraian
Zacharias Zachariou und Ioan Paraian nach der Verleihung der Ehrendoktorwürde in der Oper in Cluj-Napoca.

Im Bett auf dem Gang

Gesagt getan: Zachariou liess eine Villa in Cluj-Napoca mit Spendengeldern zur Kinderklinik umfunktionieren. Alte Betten und Instrumente wurden aus Heidelberg importiert. Unterstützt wurde er bei seinem Projekt vom rumänischen Chirurgen Ioan Paraian. Heute können in der ehemaligen Villa 75 Kinder fachgerecht behandelt werden. Die Station sei aber oft mit rund 100 kleinen Patienten belegt, sagt Zachariou. Die Betten stehen teils sogar auf den Gängen. Operiert werden Knochenbrüche wie Tumoren. Die Krankheiten sind damit dieselben wie in der Schweiz. Allerdings sind in Rumänien weit mehr chirurgische Eingriffe nötig als in westeuropäischen Ländern. Der Grund: «Die Kinder kommen in Osteuropa so zur Welt wie sie sind», erklärt der Berner Kinderchirurg. Abtreibungen aus medizinischen Gründen gibt es fast nicht.

Foto des Gebäudes beziehungsweise der Villa, in der die Kinderchirurgische Station eingerichtet wurde
Eine ehemalige Villa wurde zur kinderchirurgischen Station umfunktioniert.

Berner Schule für Ärzte aus Osteuropa

Im Dezember 2004 verlieh die Universität «Iuliu Hatieganu» dem Kinderchirurg Zachariou für sein Engagement in Cluj-Napoca die Ehrendoktorwürde. Der Einsatz in Rumänien ist jedoch bei weitem nicht die einzige gute Tat von der Zachariou erzählen kann. Immer wieder reist der in Zypern geborene Arzt in verschiedene europäische Länder um vor Ort todkranke Kinder zu operieren. Das sei einfacher und billiger als die Patienten in die Schweiz zu transferieren, sagt er. In der Chirurgischen Universitäts-Kinderklinik in Bern sind zurzeit eine Litauerin, die sich zur Kindertraumatologin ausbilden lässt, und ein junger Kinderchirurg aus Cluj-Napoca, der seine Promotion schreibt, zu Gast. Zudem schult Zachariou in Bern regelmässig dreiköpfige Teams – insbesondere Ärzte und Pflegekräfte aus osteuropäischen Ländern – im Fachgebiet Kinderchirurgie. «Ein solches Team hat in der Heimat einen grossen Multiplikationsfaktor.»

Humanitäre Hilfe und Eigennutz

Für sein Engagement nennt Zacharias Zachariou dreierlei Gründe: Erstens sei es reine humanitäre Hilfe. Zweitens wolle er einen Beitrag für die Zusammengehörigkeit Europas leisten. Und drittens agiere er aus Eigennutz. Denn: «Die guten Kinderchirurgen werden künftig aus Osteuropa kommen», ist Zachariou überzeugt. Zum einen seien die Leute enorm engagiert und zum anderen könnten sie in ihren Ländern viel mehr praktische Erfahrungen sammeln als hier zu Lande. So viele Patienten wie ein westeuropäischer Arzt in drei Jahr operieren muss, schafft ein Osteuropäer in zwölf Monaten. Ein gesamteuropäisches Beziehungsnetz könnte damit für einen Kinderchirurgen irgendwann bedeutend werden.