Klimaveränderungen als Erdbebenursache

Wenn sich Gletscher und Seen zurückziehen, nimmt die Gefahr für Erdbeben zu. Über diesen Zusammenhang, der auf klimatische Veränderungen zurückzuführen ist, berichteten Geologen von der Uni Bern und von der Uni Münster kürzlich in der Fachzeitschrift «Nature».

Von Sabine Olff 11. Mai 2005

Es gab bereits einige Hinweise, dass der Rückzug von Gletschern und Seen – und damit klimakontrollierte Veränderungen an der Erdoberfläche – mit einer erhöhten Erdbebenhäufigkeit im Zusammenhang stehen. Der Beweis dafür fehlte aber bislang. So hat beispielsweise die Erde in der Basin-and-Range-Provinz in der Nähe von Salt Lake City (USA) in den letzten 10'000 Jahren auffallend oft gebebt. Ursprünglich war die Erdkruste an der 400 Kilometer langen Störzone durch Gletscher der letzten Eiszeit und durch einen See bedeckt gewesen, der 350 Meter tief und hundertmal grösser als der Bodensee war. Mit dem Ende der Eiszeit vor ungefähr 15'000 Jahren zogen sich die Gletscher zurück und der See trocknete aus. Rund 5'000 Jahre später nahm die seismische Aktivität auf der so genannten «Wasatch-Störung» deutlich zu.

Wetterkarte
Die «Wasatch-Störung» stellt eine ernsthafte seismische Bedrohung für das Ballungszentrum Salt Lake City in Utah (USA) dar. Bild: zvg

Spannungsänderungen in der Erdkruste

Dass der Rückzug von Gletschern und Seen die Erdbebenhäufigkeit tatsächlich erhöht, haben Andrea Hampel vom Institut für Geologie an der Universität Bern und Ralf Hetzel vom Geologisch-Paläontologisches Institut an der Universität Münster kürzlich im Fachmagazin «Nature» (Nature, Bd. 435, 2005) belegen können. Die Ergebnisse basieren auf paläoseismischen und geologischen Daten aus Erdbebenregionen sowie auf Modellen, in denen eine Störzone simuliert wurde. Konkret haben Hampel und Hetzel die Reaktion einer Störzone auf das Abschmelzen von Gletschern und die Austrocknung von Seen nachgestellt. Störzonen sind Grenzflächen zwischen verschiedenen Blöcken der Erdkruste. Bei Erdbeben kommt es zur ruckartigen Bewegung dieser Krustenblöcke.

Die Modelle zeigen, dass Veränderungen an der Erdoberfläche den Spannungszustand in der Erdkruste erheblich beeinflussen. Damit steigt wiederum die Gefahr, dass die Erde irgendwann zu beben beginnt. Nach der Entlastung der Erdkruste können bis zur vermehrten Bewegung der Krustenblöcke mehrere tausend Jahre vergehen. Die Phase verstärkter Aktivität kann über 10'000 Jahre anhalten, wie das Beispiel der «Wasatch-Störung» zeigt. Die Ergebnisse der Studie haben auch praktische Konsequenzen: Wenn die Aktivität seismogener Störungen untersucht und das seismische Gefährdungspotentials bewertet wird, muss der Einfluss von Gletschern und Seen, die sich nach der letzten Eiszeit zurückgezogen haben, künftig berücksichtigt werden.