Einsteins Schwester
Maja Einstein war die Vertraute ihres Bruders Albert – und eine eigene Persönlichkeit. Franziska Rogger, Archivarin der Uni Bern, hat Majas Leben in ein Buch gepackt. Für «uniaktuell» beschreibt sie den Lebensweg in Kurzversion.
Albert Einstein wurde an der Universität Bern habilitiert. Dass auch seine Schwester Maja in Bern reüssierte und in Romanistik promovierte, ist kaum bekannt. Überhaupt: Dass der berühmte Einstein eine Schwester hatte, wissen die wenigsten. Maja Einstein wurde 1881 geboren und war damit zwei Jahre jünger als ihr Bruder Albert. Die Geschwister ähnelten sich in Aussehen und Charakter. Majas Leben erlaubt es, als Kontrastbild zum Lebensverlauf ihres Bruders, den Lebensentwurf einer Frau nachzuzeichnen, die zu klug war, um ein angepasstes Frauenleben zu führen. Sie war aber auch zu wenig rebellisch, um ganz mit den Konventionen zu brechen. Ihr eigenständiger Lebensweg zeigt auf, welche Möglichkeiten und welche Hindernisse eine akademisch geschulte Frau jener Zeit hatte und welche Grenzen ihr die Gesellschaft setzte.
Mit Albert unter einem Dach
Maja hatte eigene private Schicksalsschläge und die ihrer besten Freunde zu verkraften: Geisteskrankheit, Kindstod , Mord, Armut und Juden-Verfolgung. Ihr Leben liest sich auch als Hommage an grosse, tiefe Frauenfreundschaften. Es wird zudem geprägt durch die Beziehung zu Ehemann Paul Winteler, die trotz grosser Liebe nicht frei von tiefen Krisen war. Und nicht zuletzt zeugt das Leben von «Einsteins Schwester» von einer grossen Geschwisterliebe und wirft ein neues Licht auf den berühmten Bruder.
Doch nun kurz der Reihe nach: Wie Albert wurde auch Maja in Aarau auf die Universität vorbereitet. Sie besuchte dort das Lehrerinnenseminar. In Aarau verliebte sie sich in Paul, den Sohn der Familie Winteler, bei der ihr Bruder Albert als Pensionär untergebracht war. Für Maja blieb diese Liebe die sprichwörtlich grosse, bis der Tod sie schied. Während ihres Romanistik-Studiums in Bern wohnte Maja mit ihrem Bruder, ihrer Schwägerin Mileva und ihrem kleinen Neffen Hans Albert an der Aegertenstrasse unter einem Dach. Sie studierte, als das für Schweizerfrauen noch eine avantgardistische Sache war. In den Vorlesungen sassen einige engagierte Schweizerinnen, die in der Mädchenbildung und der eidgenössischen Frauenbewegung später eine starke Rolle spielten. Einige feministische Ideen gefielen ihr offensichtlich, zum Beispiel die Vorstellung, dass Frau und Mann partnerschaftlich und gleichberechtigt zusammenleben.
Zivilisationskritische Utopie
Albert Einstein war dagegen kein avantgardistischer Feminist. Er hatte ein konservatives Frauenbild. Er war in Liebesdingen sogar ein unsteter und unberechenbarer Geselle – zum Schmerze seiner Frauen und Freundinnen. Auch Maja, die ihrem Bruder zeitlebens eng verbunden war, litt darunter. Besonders als Albert seine Frau Mileva und die Kinder sitzen liess. Trotz dieser Spannungen zerbrach die Geschwisterliebe nicht. Albert wollte sogar seiner Schwester die Kinder zur Erziehung überlassen.
1910 heirateten Maja und Paul, beide promoviert, und liessen sich in Luzern nieder. Ihre Ehe blieb kinderlos und sie unterschied sich kaum von andern normalbürgerlichen jener Zeit. Als verheiratete Frau durfte Maja nicht an einer öffentlichen höheren Schule dozieren. Auch Maja und Paul hatten keine paritätische Haus- und Arbeitsgemeinschaft. Doch sie wollten dieses Leben ändern. 1920 stiegen Maja und Paul Winteler-Einstein aus dem Stadtleben aus und zogen in den sonnigen Süden. Auf einem kleinen Bauerngut ausserhalb von Florenz versorgten sie sich grösstenteils selbst und suchten das meditative und intellektuelle Leben. Paul frönte seiner Leidenschaft, dem Malen. Maja musizierte und kochte. Doch auch im idyllischen Paradies gab es Rollen- und profane Geldprobleme. Dass ihre zivilisationskritische Utopie nicht schmählich zerschellte, darum war schliesslich Brüderchen Albert besorgt: Er zahlte.
Sie starb brüderlich umsorgt
Als die Faschisten in Italien wüteten, konnte Maja – Jüdin und Schwester des von den Nazis verhassten Einsteins – zu ihrem Bruder nach Princeton fliehen. Ihrem Mann wurde die Einreise in die USA aus gesundheitlichen Gründen verwehrt. Nach Kriegsende, zwangen Krankheiten Maja immer wieder aufs Krankenlager. Trotz grosser Sehnsucht nach ihrem Mann und Florenz konnte sie nie mehr nach Europa zurück. Im Hause ihres Bruders wurde sie gepflegt. Bruder Albert las ihr abends stets vor. Maja Winteler-Einstein starb, brüderlich umsorgt, im Jahr 1951.