Psychotherapie für Schizophrenie-Kranke
Bei der Behandlung einer Schizophrenie kommt die Psychotherapie oft zu kurz. Dabei ist sie äusserst effektiv. Auf dem 7. Internationalen Schizophreniesymposium in Bern dreht sich deshalb fast alles um die psychologische Behandlungsform.
Schätzungsweise 30'000 Menschen in der Schweiz leiden derzeit an einer Schizophrenie. Die Betroffenen verlieren den Sinn für die Realität. Sie nehmen die eigene Person, die Umwelt und andere Menschen meist völlig verzerrt und unrealistisch wahr. Wahnvorstellungen und Halluzinationen können aufkommen. Oft ziehen sich die Kranken sozial zurück. «Ausgelöst wird eine Schizophrenie durch ein Sammelsurium von Ursachen», erklärt Hans Dieter Brenner, Direktor der Universitätsklinik für Sozial- und Gemeindepsychiatrie (DSGP) in Bern. Die genetische Grundausstattung kann ebenso eine Rolle spielen wie neuronale Veränderungen, Umwelteinflüsse oder psychische Faktoren.

Psychotherapie kommt oft zu kurz
Helfen kann den Patienten eine Kombination aus Psychotherapie und medikamentöser Behandlung. Doch tatsächlich kommen die psychotherapeutischen Massnahmen oft zu kurz. Es gibt schlichtweg zu wenig Therapeuten. Für sie fehlt in der Schweiz und anderswo das Geld. Dabei zeigen Studien, dass Psychotherapien langfristig wirksam sind und somit das Gesundheitswesen finanziell entlasten könnten. Auf dem 7. Internationalen Schizophreniesymposium, das von Brenner und Kollegen organisiert wurde, geht es deshalb fast ausschliesslich um die psychotherapeutischen Interventionsstrategien. Vom 17. bis 18. März tagen in Bern rund 300 Psychologen und Psychiater aus aller Welt.
Effekt der Psychotherapie zeigt sich im Gehirn
Vier Psychotherapieformen haben bislang einen eindeutigen Wirksamkeitsnachweis erbracht. Sie dominieren thematisch den Kongress. Die neurokognitiven Verfahren zielen darauf ab die Informationsverarbeitung bei den Schizophreniekranken zu verbessern. Zu ihnen zählt das Integrierte Psychologische Therapieprogramm (IPT), das von einem Team um Hans Dieter Brenner und Volker Roder bereits in den 70er Jahren in Bern entwickelt wurde und mittlerweile international eingesetzt wird. Dem Programm kommt laut Brenner eine Schrittmacherfunktion zu: Es habe erstmals gezeigt, dass sich schizophrene Störungen und Defizite psychologisch therapieren lassen. In der Gruppe werden im IPT beispielsweise Gedächtnisübungen durchgeführt und die Wahrnehmung trainiert. Später werden die erlernten Fertigkeiten in den Alltag transferiert. Die Wirksamkeit solcher Therapien zeigt sich sogar im Gehirn: Die Strukturen, die für die Kognition zuständig sind, verändern sich.

Schizophrenie vom Stigma befreien
Die zweite wirksame Therapieform nennt sich Psychoedukation. Bei den Betroffenen wie bei den Angehörigen wird zum einen ein Verständnis für die Erkrankung geschaffen. Zum anderen sollen Kranke und ihre Bezugspersonen die Stressfaktoren erkennen und möglichst vermeiden lernen. Die dritte Behandlungsart kümmert sich um das Training der sozialen Kompetenzen. Allerdings fällt es den Patienten bislang meist schwer, das in der Therapie Gelernte im wahren Leben umzusetzen. Im Berner Spezialprogramm «Wohnen, Arbeit, Freizeit» kümmert man sich jetzt um dieses Problem.
Auch Wahnvorstellungen und Halluzinationen werden neuerdings psychologisch therapiert. Die Wahnideen werden beispielsweise hinterfragt und damit um ihre Beweisbarkeit gebracht. Es sei aber trotz der positiven Resultate teilweise noch immer verpönt den Wahn psychotherapeutisch zu behandeln, sagt Wolfgang Tschacher, Forschungsleiter an der DSGP. Unumstösslich hält sich auch die Auffassung, dass sich eine Schizophrenie nicht mit einem weitgehend normalen Leben vereinbaren lässt. Der Kongress zeigt, dass es Mittel und Wege gibt. Tschacher: «Er soll auch dazu beitragen die Krankheit von ihrem Stigma zu befreien.»