Auch der Mensch ist «nur» eine Art

Das Naturhistorische Museum der Burgergemeinde Bern zeigt sich «natürlich vernetzt». Thema der gleichnamigen Ausstellung ist die Wichtigkeit der Artenvielfalt – auch für die Existenz des Menschen. Zu sehen sind auch Projekte der Uni Bern.

Von Bettina Jakob 30. März 2006

Eine Küche kann sich sehr abwechslungsreich präsentieren. Manchmal zum Schrecken der Bewohnerinnen und Bewohner: Aus der Fruchtschale fliegen Dörrobstmotten auf, über die Ablagefläche huscht eine Küchenschabe und im Kühlschrank wuchern graue Pilze auf einem Joghurt. Auch das ist Biodiversität, wie die Ausstellung «natürlich vernetzt» im Naturhistorischen Museum der Burgergemeinde Bern zeigt. Und diese Biodiversität, diese «Vielfalt alles Lebendigen», wie Museumsdirektor und Uni-Professor Marcel Güntert an der Eröffnung sagte, sei die «Existenzgrundlage für die Menschheit». Zerstöre man diese Vielfalt weiter, dann seien nicht nur Wildtiere bedroht, sondern auch der Mensch gefährdet. 

Marcel Güntert vor einem Schaukasten an der Ausstellung
Museumsdirektor Marcel Güntert betont, wie wichtig die Artenvielfalt ist. Bild: bj

Anpassungsfähig dank vielfältiger Gene

Das Schlagwort «Biodiversität» wird in der Ausstellung in einem sterilen Labor verständlich gemacht: Die Vielfalt der Gene, der Arten und der Lebensräume können mit Lupe, mit Pipette, durch Hören und Anfassen erforscht werden. Die Ausstellungsmacher zeigen zum Beispiel den Nutzen der Biodiversität bei den Nahrungsmitteln – aus 103 verschiedenen Kartoffelsorten in der Schweiz werden heute Pommes Chips, Rösti oder Gschwellti gemacht. Alte Haustierrassen, Insekten, Kulturpflanzen und sogar Trachten und Dialekte der Schweiz werden thematisiert. Direktor Marcel Güntert betont, wie wichtig auch die Vielfalt der Gene ist: «Je diverser ein Genpool ist, desto besser können sich Arten immer wieder an neue Lebensbedigungen anpassen.» Das sichert ihr Überleben.

Uni Bern kämpft gegen Artensterben

Doch damit sich Tier- und Pflanzenarten überhaupt wohlfühlen, muss erst der Lebensraum stimmen. Oft werden jedoch viele Ökosysteme gestört: Durch Flussverbauungen verschwinden Feuchtwiesen und Moore. Grossflächige Monokulturen verdrängen eine abwechslungsreiche Landschaft und mit ihr die Nischen. Zudem wird pro Sekunde in der Schweiz ein Quadratmeter Boden zubetoniert. Diese Problematik wird an der Ausstellung illustriert durch ein Artenförderungsprogramm der Abteilung Conservation Biology des Zoologischen Instituts der Uni Bern: Mit dem Verschwinden der Hochstamm-Obstbäume aus dem Walliser Talboden, wichen die Wiedehöpfe zum Nisten auf die Talflanken aus. Ihre Lieblingsnahrung, die Maulwurfsgrille, lebt aber im Talboden. Das Hin- und Herfliegen zwischen Brut und Futterquelle wurde zu anstrengend für die Vögel, viele starben. Die Uni Bern hat Nistkästen im Talboden aufgestellt; zwischen 1998 und 2005 ist so der Bestand der Wiedehöpfe im Rhonetal um das Fünffache gestiegen. 

Darstellung der verschiedenen Formen des 7-Punkt-Marienkäfers
«Verschieden, aber doch zur gleichen Art gehörend»: Der 7-Punkt-Marienkäfer. Bild: Zvg

Jeder Einzelne trägt Verantwortung

Der Countdown gegen das Artensterben läuft. Bis 2010 wollen die Schweiz und andere Nationen Europas den Artenverlust in ihren Ländern ganz stoppen, sie haben eine entsprechende Konvention unterzeichnet. Es werde jedoch zuwenig für diese Ziele getan, meinte Nationalrat Kurt Fluri an der Vernissage. Eine parlamentarische Gruppe versucht dem Bundesrat Beine zu machen, sie fordert – bisher vergeblich – eine Biodiversitätsstrategie. Doch wenn jeder einzelne wisse, was auf dem Spiel stehe, «dann kann ein politischer Druck entstehen, so dass dieses Umwelt-Abkommen eingehalten wird», ergänzte Museumsdirektor Marcel Güntert.