Ein Blick in Berns Vergangenheit

Bern war gross, reich und mächtig – jedenfalls im 16. und 17. Jahrhundert. Wie diese Macht aussah und wie die «Untertanen» damit umgingen, zeigt ein neues Buch, welches von Historikern der Uni Bern herausgegeben wird.

Von Brugg im Kanton Aargau bis vor die Tore Genfs: Das war einst Berner Staatsgebiet. Als Bern 1539 die Waadt eroberte, wurde es somit zum grössten Stadt-Staat nördlich der Alpen. «Berns mächtige Zeit» heisst denn auch das neue Buch, welches von Professor André Holenstein und seinem Team vom Historischen Institut der Uni Bern herausgegeben wird. Es widmet sich der Geschichte Berns im 16. und 17. Jahrhundert: Warum war Bern so mächtig? Wie präsentierte Berns Obrigkeit diese Macht? Und wie stabil war die Stadtherrschaft in dieser Zeit? Das mächtige Buch – es wiegt stolze 3 Kilo – besteht aus vielen Kurzbeiträgen und Bildern und ist für ein breites Publikum gedacht. «Es ist kein Buch, das man von vorne bis hinten durchkämpft», meint Holenstein. «Vielmehr soll es dazu einladen, darin zu blättern und hier und da einen Text herauszupicken, etwas Neues zu entdecken.» Neben zahlreichen Wissenschaftlern haben auch einige Studierende Beiträge geschrieben.

 

 


Durch die Eroberung der Waadt wird Bern zum grössten Stadtstaat nördlich der Alpen. Chronik von Johannes Stumpf 1548 (Bilder: zvg)

Wirtschaft, Militär und Kirche

Bern war also einst mächtig: Das grosse Territorium gab dem Staat wirtschaftliche Macht. Die Landwirtschaft florierte, und Bern war damals ein schuldenfreier Staat. Sein Kapital legte er im Innern und auf ausländischen Finanzplätzen an und sicherte so die Staatsfinanzen. Aber Berns Macht war nicht nur wirtschaftlich und finanziell: Mit der Armee behauptete sich die Stadt in den Kriegen gegen Savoyen und gegen katholische Kantone; und die Staatskirche verlieh Bern religiöse Stärke: Bern bestimmte, welche Konfession gilt und wie die Kirche zu organisieren sei. Die Stadt bemühte sich, dies auf dem ganzen Staatsgebiet durchzusetzen. Sie stellte sich in Bildern und Kunstwerken auch selber als mächtige Herrschaft dar. Insbesondere in der Burgerstube, dem Saal, in welchem der Kleine und Grosse Rat der Stadt tagten, hingen viele Gemälde, die Bern als starken, souveränen und unabhängigen Staat darstellten.


Mit Panzer, Schwert und Schild: Bern stellt sich wehrhaft und souverän dar. «Berna» von Josef Werner, 1682.

Macht und Ohmacht

Die stolze Selbstdarstellung von Bern entsprach jedoch nicht immer der Realität. Die Macht der Stadt war zerbrechlich. «Die mächtige Stadt war abhängig von ihren Untertanen und konnte sich nicht nach Belieben durchsetzen», sagt Holenstein. So bestand beispielsweise die Armee aus Untertanen vom Land – die ganze militärische Macht hing also vom guten Willen der Soldaten ab. Auch die bernische Kirchenpolitik war nicht immer erfolgreich. Trotz massiver Verfolgung der «Täufer» gelang es den Herrschern nicht, das Land «täuferfrei» zu machen, so Holenstein. Die wirtschaftliche Stärke wiederum basierte hauptsächlich auf der Landwirtschaft; zukunftsträchtige Wirtschaftszweige wie die Textilindustrie wurden in Bern – im Gegensatz zu Zürich oder Basel – nicht gefördert.

Trotz dieser Schwächen dauerte «Berns mächtige Zeit» bis zur Französischen Revolution 1789 an. Als die französischen Truppen 1798 dann einmarschierten, kollabierte das mächtige Bern. Das Staatsgebiet wurde daraufhin drastisch verkleinert: Bern verlor die Waadt und den bernischen Aargau, und ein eigener Kanton «Oberland» wurde geschaffen. Auch finanziell ging es bergab: Die französische Armee beschlagnahmte den bernischen Staatsschatz, um ihre eigene Kriege zu finanzieren.

Oben