Ein Europäer kritisiert die EU

Hoher Besuch an der Uni Bern: Am Mittwoch Nachmittag diskutierten an der Uni Bern der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus und Bundespräsident Moritz Leuenberger über Europa und die EU. Beide Staatsmänner fühlen sich als Europäer, aber nicht beide schätzen die EU gleichermassen.

Von Bettina Jakob 22. März 2006

«Willkommen in Europa.» So wurde Tschechien vor zwei Jahren begrüsst, als das osteuropäische Land der EU beitrat. Eine Formulierung, die den heutigen tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Klaus wenig freute: Denn Europa und die EU sind für den ehemaligen Ökonomieprofessoren zwei Paar Schuhe, wie er in der vollen Uni-Aula in Bern klarstellte. «Tschechien und die Schweiz sind in Europa – ob sie nun Mitglied der EU sind oder nicht.» Klaus ist nämlich für Europa, aber gegen das heutige Gebilde der EU. «Was ist daran so undemokratisch?», provozierte Moderater Stephan Klapproth. Der EU-Skeptiker stieg auf die Diskussion ein und hörte nicht mehr auf: Der Bürger habe keinen Bezug mehr zur Regierung, diese sei «entpersonifiziert», so Klaus. Der Tscheche kritisierte die Struktur der EU: «Es wird mittlerweilen mehr über Protektionismus und Dirigismus gesprochen als über Freiheit, Demokratie und freie Märkte.» Vaclav Klaus bezeichnete die Entwicklung als Europäismus – «den man besiegen muss».


Gelöst, aber engagiert: Moritz Leuenberger und Vaclav Klaus  diskutierten über Europa. (Bild: Stefan Wermuth)

Ein föderales System wie die Schweiz

«Und Sie, fühlen Sie sich als Europäer?», wandte sich Klapproth keck an Moritz Leuenberger. «Natürlich, und wie!», betonte der Bundespräsident. Im Gegensatz zu Klaus äusserte er sich aber auch positiv über die EU. Er glaube daran, dass sich eine Staatengemeinschaft so organisieren lasse, damit kein Demokratieverlust entstehe. «Nämlich wenn man den Mitgliedstaaten eine gewisse Autonomie und ihre Identität gewährt.» Als Beispiel gab Leuenberger die Schweiz als funktionierendes föderalistisches System an, das «kulturelle und sprachliche Minderheiten» integriert. Da die neue EU-Verfassung «faktisch gestorben» sei, könnten ja die Mitgliedsländer eine «direkte föderale Demokratie» anstreben, so Leuenberger. Ein EU-Beitritt sei zwar im Moment für die Schweizerinnen und Schweizer kaum eine Diskussion. Aber in zehn Jahre stehe vielleicht auch wieder eine Volksabstimmung an.

Revolution ohne Brüssel

Diese Prognose Leuenbergers bedauert Staatspräsident Klaus. Er wolle zwar nicht über den EU-Beitritt seines Landes sprechen, fügte aber an: «Wir hatten keine Alternative. Diese politische Anerkennung war wichtig für Tschechien. Wir hatten nicht den Luxus, den die Schweiz hat.» Aber den Kommunismus habe man ohne die EU niedergeschlagen, stellte Klaus entgegen einer Meinung aus dem Publikum klar. «Dessen Ende haben wir ohne ausländische Hilfe und nur für uns selbst erfochten – nicht für jemanden mit blauen Augen in Brüssel.» Vaclav Klaus führte aus, zeichnete ökonomische Kurven auf die Tafel und bot an, aus Zeitgründen – das Gespräch dauerte eine halbe Stunde länger als vorgesehen – ein anderes Mal über Europäismus referieren zu kommen. Uni-Rektor Urs Würgler im Publikum nickte zustimmend.

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