Das Rotlicht-Milieu der Geologen
Die Berner Geologen rücken sich in ein besonderes Licht: Die Lumineszenz-Methode erlaubt es den Gesteinsexperten jetzt, weit in die Vergangenheit zu schauen. Ein Besuch im neuen Rotlicht-Labor.
Der Schalter klickt, es wird dunkel. Dann öffnet sich die nächste Tür. «Willkommen in unserem Rotlichtmilieu», sagt Geologe Frank Preusser und lacht. Nach einigen Sekunden hat sich das Auge an die Lichtverhältnisse gewöhnt. Im neuen Lumineszenz-Labor der Berner Uni sieht es aus wie in der Dunkelkammer eines Fotoateliers. Überall stehen Flaschen, auf den Etiketten chemische Abkürzungen, unleserlich in der roten Dämmerung. Die Bildschirme zweier Computer flimmern und zeichnen eine Kurve auf, eine Wissenschaftlerin verfolgt gespannt den Verlauf. In diesen acht Quadratmetern Labor schauen die Geologen zurück in vergangene Zeiten. Und zwar sehr weit zurück: «Die Lumineszenz-Methode erlaubt Gesteinsdatierungen bis zu 500'000 Jahre», sagt Preusser. Die Uni Bern hat kürzlich das schweizweit einzige Lumineszenz-Labor in Betrieb genommen.

Minerale nehmen Licht auf
Der Begriff «Lumineszenz» verrät es bereits – das Alter eines Gesteins ermitteln die Geologen mittels «Lumos» – Licht. Abgelagerte Quarz- und Feldspatkörner können in totaler Dunkelheit Licht speichern. Diese Photonen werden in Interaktion mit radioaktiver Strahlung im Gitternetz dieser Minerale aufgenommen und bei Licht-Exposition wieder abgegeben. Konkret: Liegt ein Quarzkorn jahrtausendelang im Dunkeln, «lädt es sich auf wie ein Akku», so Preusser. Wird es ausgegraben, sendet das Teilchen das gespeicherte Licht aus und löscht dadurch das sogenannte Lumineszenzsignal. Die Intensität dieses Signals ist schliesslich ein Mass für die Zeit, in welcher das Korn vom Tageslicht abgeschlossen war – und somit ein Mass für die Zeit, die seit der Ablagerung vergangen ist. Es gilt folgendes Prinzip: «Je länger ein Mineralienteilchen im Dunkeln gelegen hat, desto mehr Licht gibt es ab.»
Bisherige Analyse mit Kohlenstoff
Die Kurve auf dem Bildschirm im Rotlicht-Labor zeichnet den Verlauf dieses Signals auf. Ein Photonenzähler im lichtdichten Zylinder nimmt das Lichtsignal eines Feldspatkorns auf, das in totaler Dunkelheit aus einer Erdprobe extrahiert wurde. Aus der Signalintensität kann dann das Alter berechnet werden. Frank Preusser ist begeistert: «Endlich können Geologen weiter als 50'000 Jahre in die Vergangenheit blicken.» Die bisherige Kohlenstoff-Methode erlaubte keine weiterführende Alteranalyse von eiszeitlichen Ablagerungen: Das C14-Isotop ist nach dieser Zeitdauer vollständig zerfallen.
Eisbohrkerne, Tiefseeablagerungen – nun auch Gestein
Bisher lieferten vor allem Eisbohrkerne aus der Arktis und Tiefseeablagerungen wichtige Informationen zu den Klimaänderungen in den letzten Jahrtausenden. «In diesen beiden Zeitarchiven lagern sich die Sedimente kontinuierlich ab», erklärt Geologe Preusser. Die Forscher können darin lesen wie in chronologisch abgelegten Zeitungen. Das sei ein Vorteil gegenüber Ablagerungen auf den Kontinenten, die immer wieder durch Witterungseinflüsse abgetragen würden. «Mit der Lumineszenz-Methode kann nun aber auch das genaue Alter kontinentaler Ablagerungen bestimmt werden.»
Der Berner Forscher gibt ein Beispiel aus den jüngsten Untersuchungen eiszeitlicher Erdproben im Schweizer Alpenraum: Die letzte Eiszeit unterlag extremen Schwankungen. «Die Gletscher sind abermals vorgestossen, gar bis ins Zürcher Seebecken, haben sich aber immer wieder in die Alpen zurückgezogen», erklärt Preusser: Vor 105'000 Jahren herrschte hierzulande ein Klima wie im heutigen Lappland –
10'000 Jahre später wuchsen schon wieder dichte Nadelwälder.
Ein 300 000 Jahre altes Körnchen
«Schade», meint Frank Preusser als er auf den Bildschirm guckt. Die soeben analysierte Probe ist nicht so alt wie die Forscherinnen und Forscher im Labor es sich erhofft hatten. Aber eine richtig alte hat der Geologe bereits gefunden: «Ein paar Körner aus Flussablagerungen im zentralen Oman», sagt er. «Die waren 300'000 Jahre alt.»