Der kleine Unterschied beim Lächeln

Ein Lächeln kann Berge versetzen – aber auch ins Staunen. Eine Berner Psychologie-Studie zeigt nämlich, dass dem Lächeln einer Frau unvoreingenommener begegnet wird als dem eines Mannes.

Von Bettina Jakob 01. Juni 2006

Eine Frau lächelt – wir lächeln zurück. Ein Mann lächelt – wir zögern, und lächeln dann zurück. Eine psychologische Studie der Uni Bern zeigt, dass Testpersonen das freundliche Gesicht einer Frau schneller erkennen als das eines Mannes. Anders beim ärgerlichen Gesicht: Die Testpersonen erkennen die miese Laune bei beiden Geschlechtern etwa gleich schnell – brauchen aber grundsätzlich mehr Zeit zum Einschätzen. «Dieses Resultat belegt ein Phänomen, das die Sozialpsychologie schon lange kennt», sagt Sabine Sczesny, Assistenzprofessorin an der Abteilung für Sozialpsychologie der Uni Bern: Die Menschen wollen ganz einfach niemandem eine schlechte Laune unterstellen, die er vielleicht gar nicht hat. Das könnte nämlich «unangenehme soziale Konsequenzen haben, wenn die Testperson mit negativen Emotionen reagiert», sagt Scesny: Der vorher Glückliche kann ja plötzlich sauer werden…

Foto einer lächelnden Frau neben Foto eines lächelnden Mannes
Es geht um Millisekunden: Das Lachen der Frau wird schneller erkannt als das des Mannes. Bilder: bilderbox

Aggressive Männer, sanfte Frauen?

Negative Konsequenzen – das ist auch die Antwort auf das Experiment mit den glücklichen Gesichtern: Das Männerlachen wird auf den Bildern, die den 80 Testpersonen gezeigt wurden, nach durchschnittlich 600 Millisekunden erkannt, das der Frau schon nach 580 Millisekunden. «Die Leute vermuten, dass ein Mann bei einer Fehlbestimmung gereizter reagiert als eine Frau», interpretiert Sczesny das Resultat. Allerdings ist dies keine bewusste Verzögerung, die Entscheidung wird ja in weniger als einer Sekunde gefällt. «Die Testpersonen schätzen die Situation intuitiv ein», so die Psychologin. Diese Intuition beruhe auf der Stereotypisierung in unserer Gesellschaft – also auf den fixierten Werten und Eigenschaften, die einem Geschlecht zugeschrieben werden. In diesem Beispiel wirkt der folgende Stereotyp: Männer sind grundsätzlich schneller aggressiv und Frauen sind von sanfterer Natur. «Stereotypen sind nicht immer falsch», meint Sczesny dazu, «aber im Einzelfall können sie sich als nachteilig erweisen.»

Gut beraten: Frauen mit Männerparfüms

Allerdings schätzen wir Frau und Mann nicht nur nach den offensichtlichen sekundären Geschlechtsmerkmalen ein, sondern auch nach subtileren. Sczesny hat herausgefunden, dass in simulierten Bewerbungsgesprächen bevorzugt diejenigen Personen eingestellt wurden, die maskuline Merkmale aufwiesen wie kurze Haare, schmalere Lippen, kantiges Gesicht, kleinere Augen. Eine kurzhaarige Frau mit schmalen Lippen kann sich also gegen einen Mann mit Rossschwanz und Schmollmund durchsetzen. Ebenso kommen Personen mit einem männlicheren Parfum beim zukünftigen Chef besser an als diejenigen mit dem blumigeren Duft. «Beide Studien belegen die Theorie der Geschlechter-Stereotypen», sagt Sczesny. Nämlich dass männliche Attribute mehr Kompetenz markieren. Es ist ja noch nicht so lange her, dass sich die Frauen in der Arbeitswelt emanzipiert haben und nicht nur hinter dem Herd stehen. Diese Rollenbilder hallen gemäss Sczesny immer noch nach – wenn auch versteckt.

Stereotypen verstecken sich manchmal

Eine Gesellschaft kann ihre Stereotypen auch erkennen und sie verändern – wenigstens scheinbar. Ein Studie aus den USA zeigt zum Beispiel, dass früher Schwarze, die das gleiche Delikt begangen hatten wie ein Weisser, zu längeren Haftstrafen verurteilt wurden. Das ist heute nicht mehr so, aber: «Für gewisse Menschen – sowohl Weisse wie Schwarze – gibt es immer noch härtere Strafen», sagt Sczesny. Nämlich für diejenigen, die afrozentrische Gesichtsmerkmale aufweisen wie grosse Lippen, breite Nase. «Die ehemaligen Stereotypen manifestieren sich also immer noch, nur viel subtiler», sagt Sczesny. Das Vorurteil zeige sich plötzlich «undercover». 

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