Die Schöne ist ein Biest
Die Sonne lacht, es grünt und blüht. Aber nicht nur die nette Tulpe, sondern auch der giftige Riesenbärenklau. Die exotische Pflanze verdrängt die heimische Flora. Eine neue Broschüre der Ökologen an der Uni Bern zeigt Bekämpfungsmethoden auf.
Üppig blüht sie mit abertausend perlweissen Blüten, verzückt die Bienen, verziert die Gärten. Doch wehe dem, der der riesigen Pflanze zu nahe kommt, gar ihre Dolden streichelt – den verbrennt sie mit ihrem Gift. Schlimme Blasen an den Händen sind aber nicht das einzige Problem, das die Herkulesstaude, der sogenannte Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum), verursacht: Die im 18.Jahrhundert aus dem Kaukasus eingeschleppte Pflanze verbreitet sich rasant und verdrängt die einheimische Flora, lässt sie im Schatten ihrer ein Meter langen Blätter verkümmern.

«Der Riesenbärenklau steht auf der schwarzen Liste», sagt Wolfgang Nentwig, Professor für Synökologie an der Universität Bern. Die aufgelisteten Pflanzen sind invasive Neophyten, also gebietsfremde Arten, welche der Biodiversität, der Gesundheit oder der Ökonomie schaden. Eine neue Broschüre, die Nentwig zusammen mit Partnern aus ganz Europa in acht Sprachen herausgegeben hat, zeigt, wie der Riesenbärenklau eingedämmt werden kann. Am erfolgreichsten ist das Durchstechen der Wurzeln; das hindert die Pflanze am Blühen und somit am Ausbilden von Samen.
Das Problem an der Wurzel packen
Eigentlich hatte Wolfgang Nentwig gehofft, jemanden zu finden, der diese mühsame «Gartenarbeit» für den Menschen verrichtet – einen Rüsselkäfer, dessen Larve die Wurzel auffrisst, oder einen Pilz, der die Blätter verdorren lässt. Der Berner Ökologe und seine europäischen Partner haben dreieinhalb Jahre lang nach diesem natürlichen Gegenspieler des Riesenbärenklaus gesucht und sind deswegen in seine Heimat in Russland und Georgien gereist. Da eine Pflanze in ihrem Ursprungsgebiet meist angepasst wächst, findet sich dort oft ein Gegenspieler – denn die Arten kontrollieren sich im intakten Ökosystem gegenseitig. Die Bilanz der Feldforschung im Kaukasus: Die Wissenschaftler haben einen Pilz entdeckt, der den Riesenbärenklau befällt, aber nicht spezifisch genug ist. «Er springt auch auf die Nutzpflanze Pastinak über», so Nentwig. Zahlreiche Käferlarven knabbern an der Pflanze, einige Miniermotten fressen Löcher in die Blätter. «Aber nachhaltig vermag kein Insekt, kein Virus, keine Bakterie die Pflanze zu schädigen», bedauert Nentwig. Die sogenannte klassische biologische Unkrautkontrolle ist bei dieser invasiven Pflanze bisher nicht möglich.

100'000 Samen pro Pflanze
Die Lage ist prekär: In Tschechien, Polen, Lettland aber auch in Deutschland überzieht die Herkulesstaude oft Hektaren Land, bildet mit ihren vier Meter hohen Stauden geradezu Wälder. In Skandinavien und Osteuropa versucht man dem Bärenklau neben Mähmaschine und Hacke mit Beweidung beizukommen. «In der Tat fressen Schafe und auch Kühe die Blätter, ohne sich dabei zu verbrennen», sagt Wolfgang Nentwig. In der Schweiz sind die überwucherten Flächen kleiner, «aber die Ausbreitungstendenz ist steigend», warnt Nentwig. Er betont in der Broschüre die Wichtigkeit der Prävention: Die Pflanze ausstechen, mähen, die Fläche allenfalls pflügen und falls die Pflanzen nach ihrer dreijährigen Vegetationsphase blühen, die Dolden kappen und im Abfall entsorgen. «Eine Pflanze bildet bis zu 100'000 Samen», erklärt der Zoologe: Man müsse unbedingt verhindern, dass Menschen die Samen verschleppen oder dass diese ins Gewässernetz gelangen.
Schweiz will Handel verbieten
Auch auf politischer Ebene hat die Schweiz die Gefährlichkeit des Heracleum mantegazzianum erkannt: In der Revision der Freisetzungsverordnung will der Bund jetzt erstmals ein nationales Freisetzungsverbot für einige Problempflanzen festschreiben. Betroffen sind unter anderen die Aufrechte Ambrosie, die Allergien auslöst, das Schmalblättrige Greiskraut, das in der Landwirtschaft Probleme verursacht, und der Riesenbärenklau. Der Handel mit den schädlichen gebietsfremden Pflanzen soll untersagt werden. Damit man sich am schaurig schönen Exoten nicht länger die Finger verbrennt.
Saft verursacht Verbrennungen
Der Riesenbärenklau gefährdet nicht nur die heimische Flora, sondern auch die Gesundheit der Menschen: Sein Saft enthält phototoxische Substanzen, die sogenannten Furanocoumarine, die in Wechselwirkung mit Sonnenlicht heftige Verbrennungen auf der Haut hervorrufen können (Phytophotodermatitis). Erst nach 24 Stunden treten Blasen auf, die eine Pigmentierung oder Narben hinterlassen können. In der Vergangenheit sind schlimme Verletzungen aufgetreten, als Kinder die hohlen Stengel der Pflanze im Spiel als Blasrohr benutzten. Jede Kontamination mit Pflanzensaft sollte umgehend mit Wasser abgespült werden.