DNA-Sequenzen aus der Klarinette

Das gibt tatsächlich Musik: Eine Klarinette, ein Kontrabass, ein Computer – und das menschliche Genom. Drei Berner Wissenschaftler vertonen DNA-Sequenzen, am Sonntag treten sie im Ono auf.

Von Bettina Jakob 24. August 2006

Auf dem Computer-Bildschirm flimmert sie als unendliche Buchstabenreihe, aus dem Lautsprecher klingt sie wie eine sanfte Musik-Meditation: Die menschliche DNA. Dass biologische Wissenschaft nicht trocken, sondern kreativ ist, beweist die Band «Hugo hat Töne» – «Hugo» steht für die «Human Genome Organisation», eine Zusammenarbeit vieler internationaler Forschergruppen, die im Jahr 2001 die Erbsubstanz des Menschen fertig entschlüsselt haben. Molekularbiologe Daniel Schümperli, Weltraumphysiker Rudolf von Steiger und Geograf Lukas Frey geben den DNA-Nukleotiden Adenosin, Cytidin, Thymidin und Guanosin einen musischen Ausdruck, fernab von organischer Chemie.

 

«Kreativität und Naturwissenschaft haben nämlich viel gemeinsam», sagt Daniel Schümperli. Sowohl die Kunst wie die Natur funktionierten über Regel und Chaos. Die Entwicklung des Menschen auf molekularer Ebene beruhe auf Regelmässigkeiten, auf die auch zufällige Ereignisse wie Mutationen oder Umwelteinflüsse einwirkten. Ähnlich in der Kunst: «Es gibt Farbenlehren, Kompositionsgrundlagen, aber interessant wird ein Kunstwerk erst durch die individuelle, künstlerische Freiheit, oder durch den Zufall.» So wie der DNA-Code so etwas wie die Modelliermasse der Evolution sei, meint die Band auf ihrer Homepage. 

Daten von Chromosomen und dem Sonnenwind

Genau da setzen die drei Improvisationsmusiker an: Mittels Computerprogramm produziert Rudolf von Steiger zum Beispiel aus Daten eines X- und eines Y-Chromosoms Töne, laut leise, in den variabelsten Frequenzen, sie klingen «wie im richtigen Leben zwischen Mann und Frau» mal harmonisch, mal disharmonisch, sagt Schümperli augenzwinkernd. Seine Klarinette wirft lange Naturtöne ein, der Bass von Lukas Frey kurze tiefe, und schliesslich wird frei improvisiert. Die drei tun dies nicht nur mit Chromosomen und DNA-Sequenzen, sie spielten auch schon mit Zahlen aus einer Weltraum-Expedition zur Analyse des Sonnenwindes. Und am Sonntag wird im «Ono» ein Stück mit Daten zur Biodiversität uraufgeführt.


Aus den grellen Buchstabenreihen werden Töne. (Bild:zvg)

«Hugo hat Töne» gibt es seit fünf Jahren und die Band trat schon an den verschiedensten Orten auf: Am «Festival Science et Cité», in der Berner Pauluskirche, an einem holländischen Kreativitätsfestival für Werbefachleute und Manager, an den «Tagen der Genforschung» und in der christlichen Radiosendung «Chrüzuquer». «Wir wurden immer wieder irgendwohin eingeladen», sagt Schümperli, offenbar sind die Menschen von dieser Musik fasziniert. Ein Konzert-Konzept habe nie bestanden.

So wie der Molekularbiologe selber kein Konzept zum Erlernen eines Instrumentes hatte: «Ich habe einen Leistungsjob, warum sollte ich mühsam die perfekte Technik der Klarinette erlernen?», fragt er. Musik als Hobby beinhaltet für ihn an erster Stelle Spielfreude und nicht Anstrengung. «So bin ich als Musiker ein Banause, hatte nie eine Ausbildung, aber ich liebe es zu improvisieren», sagt Schümperli. Vor allem im Zusammenspiel mit anderen – was ihn wiederum dazu motiviere, seine Technik zu verbessern.

Am Sonntag in Bern

Bevor die drei Forscher im September am Wissenschaftsfestival «Wonders-Spaceship Earth» in Litauen Töne machen, tauchen sie mit «Hugo» am Sonntag im «Ono» in Bern auf.

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