«Uni Bern braucht Netzwerker – aber auch Tüftler»

Der Verein Euresearch stellt an einer Tagung das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm vor. Doch die Zusammenarbeit innerhalb Europas habe nicht nur Vorteile, wie Vizerektor Forschung, Felix Frey, sagt.

Interview: Bettina Jakob 29. September 2006

Herr Frey, Sie arbeiten an der Uni Bern, haben Ihre wissenschaftlichen Wurzeln und Verbindungen hauptsächlich in Übersee, werben aber gleichzeitig für die EU-Forschung – wie kommt das?
Felix Frey: Wir wollen die Wissenschaftler der Uni Bern informieren, dass die EU viel Geld für die Forschung bereitstellt. Und zwar mehr als je zuvor: Im 7. EU-Rahmenprogramm steckt eine um 60 Prozent höhere Summe als im laufenden (siehe Kasten).

Sie fordern Berner Forschende auf, vermehrt an EU-Forschungsprojekten teilzunehmen.
Das stimmt. Die Fragen sind: Wie kann sich die Uni Bern ein möglichst grosses Stück von diesem Kuchen abschneiden, wie fliesst möglichst viel Geld wieder in die Schweiz zurück. Denn auch die Schweiz steuert voraussichtlich eine höhere Summe in den europäischen Forschungstopf als noch im 6. Programm – der Beitrag soll sich auf 2,5 Milliarden Franken belaufen.


Felix Frey, Vizerektor Forschung, spricht über Vorteile und Nachteile der EU-Forschungsprogramme. (Bild: Abteilung Kommunikation)

Erfreulich, dass immer mehr Forschungsgelder zur Verfügung stehen.
Sicher, allerdings birgt das EU-Rahmenprogramm auch Probleme: Viele Wissenschaftler würden es bevorzugen, wenn die Forschungsbeiträge vermehrt aus den landesinternen Verteilkanälen kommen würden, insbesondere dem Schweizerischen Nationalfonds. Der administrative Aufwand für Nationalfondsprojekte ist weniger hoch als für EU-Projekte. Zudem können für die Nationalfondsprojekte die internationalen Partner frei gewählt werden, was in den EU-Forschungsprogrammen zum Teil wegen der Forderung von Europäischen Netzwerken eingeschränkt ist. Ein weiteres Problem ist, dass das Geld nur für bestimmte Wissenschaftsbereiche vorgesehen ist. Die Auswahl der Themen scheint über politische Kanäle zu erfolgen und Lobbying ist gefragt.

Die Uni Bern holte sich jährlich bisher etwa 5 Millionen dieser EU-Gelder zurück – wieviel soll es denn in Zukunft sein?
Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen. Aber generell gilt folgendes: Die Schweiz hat forschungsmässig ein sehr hohes Niveau. Wenn das Geld nach kompetitiven Grundsätzen verteilt wird, müssten wir eigentlich mehr zurückbekommen als wir einsetzen. Ist dies nicht der Fall, so stellt sich die Frage, ob die Verteilung auf politischen Entscheiden und nicht auf Leistungskriterien, wie sie in der Wissenschaft gelten, basiert.

Es ist unüberhörbar: Sie kritisieren die EU-Forschungsprogramme.
Es war primäres Ziel der EU-Forschungsprogramme, dass die Länder Europas vermehrt zusammenarbeiten. Das war und ist sicher eine gute Sache, wenn historisch gesehen verfeindete Staaten enger zusammenarbeiten sollen. Für den Forscher ist aber das primäre Ziel, innovativ, effizient und kreativ zu sein – erst dann folgt die Suche nach dem Partner, und zwar nach dem geeignetsten rund um die Welt. Es ist wichtig, dass Brüssel die Projekte gut evaluiert – damit Qualität und nicht einfach die Zusammenarbeit im Vordergrund steht. Zudem besteht Hoffnung für eine gewisse Trendwende; denn mit der geplanten Gründung des sogenannten European Research Councils (ERC) soll die freie Forschung unterstützt werden.

Hat die Schweiz bisher denn nicht von den Forschungsprogrammen profitiert?
Vielleicht in einigen, wenigen Bereichen.

Welche Forschungsstrategie verfolgt die Unileitung?
Sie will sicher nicht, dass Querdenker, tüftelnde Forscherinnen und innovative Wissenschaftler, welche grosse und geniale Ideen entwickeln, plötzlich im Abseits stehen. Denn diese Personen sind vielleicht nicht unbedingt die politisch motivierten Lobbyisten, die sich um die Forschungsprogramme bewerben. Die Uni Bern legt grossen Wert auf die akademische Freiheit: Wir brauchen sowohl die Individualisten als auch die Netzwerker.

Was tun Sie für letztere, welche schliesslich Geld aus dem Futtertrog der EU holen sollen?
Die Uni Bern unterstützt sie natürlich. Sie hat zum Beispiel 200'000 Franken ausgesetzt für Personen, die Koordinator oder Koordinatorin eines EU-Projekts werden und lernen, wie man ein solches Projekt aufgleist.

7. Rahmenprogramm der EU

Anfangs 2007 startet das 7. Forschungsrahmenprogramm der EU, welches sieben Jahre lang das Hauptinstrument der Forschungspolitik der Europäischen Union (EU) sein wird. Die Schweiz nimmt an diesem Programm teil und zahlt 2,5 Milliarden in den EU-Forschungstopf, sofern das Parlament den bundesrätlichen Rahmenkredit gutheisst. Die Schweiz würde dann 2,8 Prozent der gesamten Programmkosten decken. Gemäss Bundesrat habe sich die wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit bewährt. Im 7. Rahmenprogramm soll neu auch die Grundlagenforschung mitgetragen werden.

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