Mathematikerin ging anno 1931 baden
Die Russinnen kommen! Um 1900 drängten sie in Scharen an die Uni Bern. Dabei hatte mann ein paar Jahre zuvor noch einen Schrecken gekriegt, als sich die erste Frau zur Immatrikulation meldete… Die Sommerserie des «uniaktuell» erzählt Anekdoten aus der wilden Uni-Geschichte.
Im Sommer 1868 greift der Prorektor der Universität Bern, Christoph T. Aeby, zur Feder. Er schreibt an die Erziehungsdirektion: «Es hat sich in diesen Tagen eine Dame aus Deutschland zur Immatriculation angemeldet.» Diese gedenke in die medizinische Fakultät einzutreten. Und weiter: «Ich bitte Sie um Anweisung, ob einem derartigen Gesuche auf Grundlage des Hochschulgesetzes zu entsprechen sei oder nicht.» Die Frauen drängten plötzlich, ganz unverschämt, an die Uni, ja manchmal waren sie in der Medizin sogar in der Überzahl. Um 1900 strömten allen voran die Russinnen auf die Grosse Schanze. Die Herren der Weisheit liessen die Frauen gewähren, glaubten sie erst an eine Modeerscheinung. Nachdem die vielen Russinnen in ihre Heimat zurückgekehrt waren, büffelte nach dem ersten Weltkrieg nur noch ein Häufchen Frauen mit Schweizer Pass an der Berner Uni.
Der Anatomiesaal ist 1907 fest in Frauenhand. (Bild: aus «Der Doktorhut im Besenschrank», Franziska Rogger)
Nur zögernd belegten diese Schweizerinnen auch naturwissenschaftliche Fächer. 1931 doktorierte deren erste Vertreterin, Johanna Simonett in Mathematik und Astronomie. Sie erhielt sogar eine Stelle am Gymnasium in Biel. Doch die Sache hatte einen Haken: Simonett durfte als Frau nicht etwa Mathe unterrichten, sondern bloss - Schwimmen! Dr. Simonett war nämlich 1928 Schweizer Meisterin im Rückenschwimmen geworden. Auch Juristin Marie Boehlen schlug 1946 hart auf dem Boden der Realität auf: Sie wollte Sozialattachée einer grossen Botschaft werden. Die Antwort des politischen Departementes fiel nüchtern, ja diskriminierend aus: Frauen würden nur als Stenotypistinnen eingestellt; als Trost bot man Boehlen einen Stenodaktylokurs an… Heute studieren mehr Frauen als Männer an der Uni Bern – allerdings ist nur jede zehnte Professorenstelle mit einer Frau besetzt.
Quelle: «Der Doktorhut im Besenschrank», Franziska Rogger, Archivarin der Universität Bern