Mona Lisa lächelt vom Bildschirm

Im Rahmen der Vortragsreihe «Virtuelle Welten» spricht Professor Harald Kraemer vom Institut für Kunstgeschichte unter anderem über virtuelle Museen. Vorab ein Besuch beim virtuellen Schweizer Landesmuseum.

Von Kathrina von Wartburg 10. Januar 2006

Franz Hohlers Plattenspieler ist defekt. «Von einer bestimmten Rille an springt der Tonabnehmer immer wieder zurück» erzählt er. Dazu werden auf dem Bildschirm alte Plattenspieler von 1900 gezeigt. «Defekte Geräte» nennt sich Franz Hohlers Beitrag. Und er ist einer der vielen Überraschungen, die den Besuch des Netzauftritts des Landesmuseums (Virtual Transfer Musée Suisse) zu einem amüsanten, spannenden und informativen Ausflug werden lassen. Nicht nur für Kunstkenner.

Bild des Palmesels und seiner vier konstitutiven Elemente
Die vier Objekte des Palmesels. Bilder: Schweizerisches Landesmuseum/Harald Kraemer

Lieblingsstücke

Auch der Palmesel macht neugierig. Klickt man auf das virtuelle Kunstobjekt, teilt es sich in vier Stücke: den Wagen, den Menschen, den Esel und die Palme. Diese Teilobjekte lassen sich nun beliebig kombinieren, und zu jeder Kombination erhält man interessante Informationen. Zieht man also den Esel zum Wagen, erfährt der erstaunte Besucher: «Im Mittelalter wurden im Rheinland zänkische Eheleute mit dem Eselsritt bestraft; sie sassen rücklings auf einem hölzernen Esel mit Rädern und wurden auf diesem durch die Strassen gezogen».

In einer virtuellen Ausstellung können auch Objekte zu Geltung gebracht werden, die sonst kaum beachtet werden. «Viele interessante Werke schlummern in den Museen» sagt Kraemer, «man kriegt sie gar nie zu Gesicht». Oder sie sind so klein, dass sie in einem grossen Bild untergehen. So findet man im Bilderalbum des Virtuellen Transfers auf einem Wandteppich kleine Fabelwesen; oder Nixen, die eine Truhe zieren; oder Drachen, als Verzierung eines Herrenschlittens. So verweilt jeder bei seinen Lieblingstücken.

Links im Bild ein gezeichneter Mann mit weisser Hautfarbe, rechts im Bild ein gezeichneter Mann mit dunkler Hautfarbe
Der Mohrenautomat: Wer ist hier der Fremde?

Virtueller Museumsersatz?

Sicher, der Computer kann mit Hilfe von Multimedia das reale Kunsterlebnis nicht ersetzen. Auch nicht, wenn Franz Hohler seinen Kommentar abgibt; oder wenn man – wie beim Palmesel – selber Objekte gruppieren kann. Aber er kann Hintergrundinformationen liefern. Er kann dazu anregen, sich mit dem Werk länger zu beschäftigen als man dies in einem Museum tut. Und er kann den Künstler sprechen lassen. Hans Erni zum Beispiel: In Filmaufnahmen erläutert er die Bedeutung seines kolossalen Wandgemäldes «Die Schweiz, das Ferienland der Völker», welches er 1939 für die Landesaustellung gemalt hatte.

Das Portal versteht sich nicht als digitale Sammlung oder gar als virtueller Ersatz des Landesmuseums. «Es geht primär um Wissensvermittlung, intelligent und gut erzählt» sagt Harald Kraemer, Projektleiter des Virtuellen Transfers. So wird Kunst den Leuten auf spielerische Weise nahe gebracht; und für jene, die mehr wissen wollen, stehen vertiefende Informationen bereit. 

Hans Ernis Gemälde Ferienland der Völker
«Ferienland der Völker» - Hans Ernis Gemälde.

Sowohl - als auch

Nicht zuletzt können mit Hilfe der technischen Möglichkeiten des Computers Gedanken hervorgerufen werden, die allein durch die Betrachtung eines Werkes vielleicht nicht entstünden. Beim «Mohrenautomaten» beispielsweise, einem Kunstwerk aus dem 17. Jahrhundert: Die eingeblendeten Text- und Tonfragmente über das Fremde und den Umgang mit Fremden regen zum Nachdenken an. Über Rassismus und die eigene Identität.

Virtuelle Museen sollen reale Museen nicht ersetzen sondern ergänzen. «Es ist kein entweder-oder, sondern ein sowohl-als auch» sagt Kraemer. Bei Virtual Transfer Musée Suisse ist dies zweifelsohne gelungen. Wer also erfahren will, was virtuelle Museen wirklich können, sollte das Portal auf jeden Fall besuchen. Alles andere ergibt sich.

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