Auf der Suche nach einer zweiten Erde

Diese Entdeckung von Berner und Genfer Astronomen hat es ins neuste «Nature» geschafft: Ein Planetensystem, das unserem ähnelt. Und ein Planet, auf dem Wasser vorkommt –aber nicht so, wie wir es kennen.

Von Bettina Jakob 18. Mai 2006

Sie sind 40 Lichtjahre entfernt – uns aber trotzdem nah: Die drei Planeten des neuentdeckten extrasolaren Systems «Neptuns Dreizack» sind von den bisher registrierten Himmelskörper diejenigen, die der Erde am ähnlichsten sind. Das schreiben Astronomen der Uni Bern und des Observatoire der Universität Genf in der neuesten Ausgabe von «Nature». Die Entdeckung sei «ein Meilenstein in der Suche nach einer zweiten Erde im All», sagt Willy Benz, Professor am Physikalischen Institut Bern. Allerdings, so relativiert er, gleiche der erdähnlichste der drei Planeten unserem Globus etwa wie ein Pferd einem Hund. «Aber das ist schon ganz gut, wenn man bisher nur Elefanten gesehen hat», sagt er schmunzelnd: Die Planeten des Systems mit Übernamen «Neptuns Dreizack» sind «nur» zwischen 10 und 18 mal so schwer wie die Erde und haben etwa die Grösse Neptuns. Die 180 bisher bekannten Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems wiegen rund 300 Erdmassen. Auf dem äussersten Planeten des neuen Systems entdeckten die Berner Forschenden ein weiteres irdisches Indiz: Wasser.

Der äusserste Planet in «Neptuns Dreizack» weist einen Wassergürtel auf. (Bilder:zvg)
Der äusserste Planet in «Neptuns Dreizack» weist einen Wassergürtel auf. (Bilder:zvg)

Wasser in «superkritischem Zustand»

Gibt es also Leben auf «Neptuns Dreizack»? Nein. Das Wasser komme nur in einem «superkritischen Aggregatszustand» vor, der in unserem Alltag unbekannt sei, sagt Willy Benz: Der Wassergürtel um den Steinkern ist tausende von Grad heiss, er wird lediglich von einer dichten Gashülle mit unglaublich hohem Druck zusammengehalten. Damit sich irdische Lebensformen entwickeln könnten, müsste Wasser als Flüssigkeit zwischen 0 und 100 Grad Celsius vorhanden sein, sagt Benz. Auf den beiden anderen Planeten entdeckten die Astronomen kein H20, lediglich einen Steinkern, umgeben von einer Gaswolke aus Wasserstoff und Helium.

Planeten nicht sichtbar

Die Forscher machen präzise Angaben über Masse, Umlaufbahn, Temperatur und Gravitationsverhältnisse der neuen Planeten – ohne sie jemals gesehen zu haben. «Ein Teleskop kann nur den Stern, also die Sonne abbilden», so Benz. «Die Planeten nebendran zu sehen ist genauso unmöglich wie ein Glühwürmchen neben einem Scheinwerfer zu entdecken.» Die Astronomen beschrieben die Exoplaneten vielmehr mit theoretischen Modellrechnungen – das war der Berner Part an der Mission. Aufgrund der Bewegung des Sterns und den Daten von anderen bekannten Planetensystemen berechneten Computer die Eigenschaften der Himmelskörper. Benz hat mit seinem Modell 20 000 Szenarien durchgerechnet, bis das Resultat – die drei Planeten mit ihren Eigenschaften – schliesslich mit den Beobachtungen übereinstimmte.

Die Grafik zeigt, wie sich die Planeten bei ihrer Entstehung bewegt haben.
Die Grafik zeigt, wie sich die Planeten bei ihrer Entstehung bewegt haben.

Statistik spricht für eine zweite Erde

«Die Planetologie ausserhalb unseres Sonnensystems steckt noch in den Kinderschuhen.» Das schreiben die Forscher heute in der Medienmitteilung, doch schon in zehn Jahren soll alles anders sein: Willy Benz ist sicher, dass bald eine «zweite» Erde entdeckt wird. In unserer Galaxie, der Milchstrasse, gebe es allein schon abermilliarden Sterne. Und wenn gemäss Erfahrungswerten um jeden vierzehnten mehrere Planeten kreisten, müsse es «rein aus statistischen Gründen einen weiteren Planeten wie die Erde geben», sagt der Forscher.

Die Zukunft ist nah: Schon bald sollen «richtige Bilder» von Exoplaneten vorliegen, nicht nur Modellrechnungen, sagt Benz. Nächstens soll ein neues Beobachtungsgerät getestet werden. Auf einen Satelliten geschnallt kann es feinere Strukturen im All entdecken, denn ausserhalb der Erdatmosphäre ist die Sicht besser. Zusätzliche Hightech-Filter sollen das Licht der extrasolaren Sterne dämpfen. Und schon haben die Astronomen einen ungetrübten Blick ins weite All. Sehen schärfer, was in der Unendlichkeit so kreist. Denn «Neptuns Dreizack» sei erst der Anfang, ein naher Nachbar. «Er liegt in der Milchstrasse wie die Erde», so Willy Benz. Um die Dimension dieser ungewöhnlichen Nachbarschaft in 40 Lichtjahren Entfernung zu erfassen: Das Sonnenlicht hat rund 8 Minuten bis es die Erde erreicht…

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