Uni Bern umkreist die Liebesgöttin

Die Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie der Uni Bern starrt gebannt ins All. Am Dienstag Morgen, 11. April, kurz nach halb elf Uhr ging das Projekt «Venus Express» in die heikle Phase. Die Forschungs-Sonde trat in die Umlaufbahn des Nachbarplaneten ein.

Von Bettina Jakob 11. April 2006

Dieser Name hält, was er verspricht. Die «Venus Express» rast mit satten 27’000 Kilometer pro Sekunde durchs All auf den Nachbarplaneten der Erde zu. Am Dienstag Morgen erreichte die Sonde die Umlaufbahn der Venus – nach einer 153 tägigen Reise und mit rund 700'000’000 Kilometern auf dem Buckel. Punkt 10.32 Uhr und 47 Sekunden Ortszeit wurde es «ziemlich heikel», wie Astrophysiker Peter Wurz von der Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie des Physikalischen Instituts der Uni Bern sagt. Zu diesem Zeitpunkt stellte sich heraus, ob die mit Sonnenkollektoren beflügelte Sonde genügend abgebremst werden konnte, damit sie, von der Schwerkraft angezogen, in die Umlaufbahn der Venus eintreten konnte. Bekanntlich gelten im All andere Dimensionen: Kommt die Maschine eine Sekunde zu spät, ist die Venus schon wieder tausende von Kilometern entfernt; eine Sekunde zu früh, trifft Sonde zu steil auf und verglüht in der Atmosphäre. Ein wenig Zittern war der Europäischen Weltraumorganisation ESA und den beteiligten internationalen Teams denn erlaubt: Die Forschungsprojekt «Venus Express» kostet rund 150 Millionen Euro, die Arbeit der Wissenschaftler nicht eingerechnet. Doch «Venus Express» meisterte das Manöver bisher bravourös.

Mit 27'000 Kilometern pro Sekunde raste die Sonde Richtung Venus. (Bilder:zvg/ESA)
Mit 27'000 Kilometern pro Sekunde raste die Sonde Richtung Venus. (Bilder:zvg/ESA)

Bern und der Weltraum

Aus den Labors der Uni Bern fliegen zwei Instrumente auf der acht Meter langen Sonde zur Nachbarin Venus. Die Berner Astrophysiker halfen mit, «Aspera-4» und «VMC» zu entwickeln. Die High-Tech-Geräte gleichen Typs wurden bereits erfolgreich zum Mars geschickt. Peter Wurz erklärt die nicht all-täglichen Messmaschinen aus hochwertigstem Kunststoff, aus edelster Keramik und stabilsten Hochleistungslegierungen. «VMC» verarbeitet Daten, die das Gerät durch ultraviolette Strahlung aus der Venusatmosphäre aufnimmt. «Aspera» untersucht Neutralteilchen und Ionen des Sonnenwindes, die auf die Atmosphäre des Planeten auftreffen und jene, die durch diese Kollisionen weggeschleudert werden. «Mit den Daten hoffen wir Modellrechnungen zu erstellen und so Rückschlüsse auf die Entstehung der heutigen Atmosphäre der Venus zu ziehen», sagt Peter Wurz. Da die Wissenschaft davon ausgeht, dass Venus und Erde – und auch Mars – vor 4,6 Milliarden Jahren aus der gleichen Materie entstanden sind, können gemäss Wurz Erkenntnisse aus den Wolken der Venus auch für die Erde und deren Klima interessant sein.

In einem grossen Bogen (rot) näherte sich «Venus Express» der Umlaufbahn (braun).
In einem grossen Bogen (rot) näherte sich «Venus Express» der Umlaufbahn (braun).

Von Venus auf Erde schliessen

Heute könnten Erde und Venus verschiedener nicht sein. Die stets umwölkte Venus gleicht mitnichten dem schönen Bild einer Liebesgöttin: Es regnet Schwefelsäure und die Oberfläche ist 477 Grad Celsius heiss. Astrophysiker Wurz erklärt die hohe Temperatur: «Die Atmosphäre besteht zu 96 Prozent aus Kohlendioxid, was einen extremen Treibhauseffekt verursacht.» Alles Wasser auf dem Planeten verdunstete. Der Wasserdampf stieg hoch auf, höher als das CO2, da H2O-Moleküle leichter sind als CO2-Teilchen. Vom äusseren Rand der Atmosphäre wurde der Wasserdampf schliesslich vom Sonnenwind weggetragen. Das Resultat: Es gibt kein Wasser weit und breit. Die Venus ist somit das Endprodukt eines Prozesses, von dem die Erde glücklicherweise geschützt ist. «Unser Planet hat eine Magnetschutzhülle, welche die Strahlung der Sonne zum grössten Teil abblitzen lässt», sagt Wurz. So bleibt die irdische Atmosphäre aus Sauerstoff und Stickstoff erhalten und lässt Leben zu. Doch was passiert, wenn die Klimaerwärmung fortschreitet? Analysen der Venus könnten vielleicht Hinweise geben, «wie lange die Erde zum Beispiel eine um 10 Grad höhere Temperatur ertragen würde», so Wurz.

Resultate in einem Monat

Die ESA-Sonde schaffte den Eintritt in die Umlaufbahn. Nun rechnet der Berner Forscher bereits in einem Monat mit ersten Daten aus rund 150'000'000 Kilometer Entfernung. Die Uni Bern hilft auch bei deren Auswertung mit. 500 Erdtage lang – die 2 Venustagen entsprechen – umkreist die Sonde der ESA den Planeten in 66000 Kilometer Höhe und untersucht die Venus auf verschiedenste Parameter. Zurückkehren wird die Sonde nie. Irgendwann geht der «Venus Express» der Treibstoff aus. Sie wird in die Atmosphäre der geheimnisvollen Venus fallen und verglühen.

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