Von Nadeln und Kügelchen an der Uni
Die Kollegiale Instanz für Komplementärmedizin (Kikom) feiert ihr zehnjähriges Bestehen. An einer Veranstaltung präsentierten Forscher und Medizinerinnen praktische Beispiele und Studien zur Anwendung von Komplementärmedizin. Sie zeigten, dass Homöopathie mehr ist als einfach Nichts.
Im Juni 1995 wurde die Kikom gegründet. Drei Jahre zuvor forderte eine Volksinitiative einen Lehrstuhl für Naturheilverfahren an der Universität Bern. Die Nachfrage nach alternativen ärztlichen Behandlungsmethoden in der Bevölkerung sei gross, so die Initianten. Sie hatten Recht, die Initiative wurde angenommen. Der neu geschaffene Lehrstuhl wurde zu je 25 Prozent auf die vier komplementärmedizinischen Methoden aufgeteilt, die im Kanton Bern am häufigsten angewendet werden: Die Homöopathie, die anthroposophische Medizin, die Akupunktur (chinesische Medizin) und die Neuraltherapie. Seither hat sich die Zahl der Personen verzehnfacht, die stationär oder ambulant durch Alternativmedizin behandelt wurden. Am 28. Januar lud die Kikom alle Interessierten ein, mit ihr das zehnjährige Bestehen zu feiern. In Workshops und Referaten zeigten Ärzte, wie die Komplementärmedizin in der Praxis angewendet wird und wie sie wirkt.

Nadeln statt Nikotinpflaster
Übermässiger Appetit, Nervosität und die ständige Lust auf eine Zigarette: Gegen solche Entzugserscheinungen kämpfen Menschen, die sich das Rauchen abgewöhnen wollen. Ihnen kann mittels Akupunktur am Ohr geholfen werden. Brigitte Ausfeld-Hafter, Dozentin für Traditionelle Chinesische Medizin erläuterte an der Jubiläumsveranstaltung diese Behandlungsmethode. Die Akupunktur am Ohr nimmt an, dass alle Körperteile und inneren Organe als Punkte auf der Ohrmuschel zu finden sind. Je nach Art der Entzugssymptome werden bestimmte Punkte im Ohr gestochen und die dort abgebildeten Organe positiv beeinflusst. «Vor allem verheiratete Patienten zwischen 35 und 39 Jahren setzen auf diese Raucherentwöhnungsmethode», sagt Ausfeld. Die Resultate ihrer Studie können sich durchaus sehen lassen: Nach zwei Jahren waren immer noch rund 38 Prozent Nichtraucher. Verglichen mit herkömmlichen Therapien zur Raucherentwöhnung sei dies eine gute Quote.
Nicht nur die Akupunktur, auch andere komplementärmedizinischen Methoden haben Erfolg: Die Neuraltherapie beispielsweise lindert bei chronischen, therapieresistenten Rheumapatienten den Schmerz. Zwei Drittel der untersuchten Patienten hatten nach der Behandlung deutlich weniger Beschwerden. Und bei hyperaktiven Kindern hilft die Homöopathie, wie Klaus von Ammon, Assistent für klassische Homöopathie zeigte. Bei 84 Prozent der Kinder nahmen die Symptome, darunter Hyperaktivität, Impulsivität und Schüchternheit, stark ab.

Wasserlinsen kennen kein Placebo
Trotz dieser Erfolge wird die Wirkung von Homöopathie von Kritikern oft auf den Placebo-Effekt zurückgeführt. Aufgrund der hohen Potenzierung, das heisst der schrittweisen Verdünnung der Substanzen, hat es in homöopathischen Präparaten kaum noch Moleküle des Ausgangsstoffes. Physiker Stephan Baumgartner untersuchte, ob homöopathische Potenzen auch das Wachstum von Wasserlinsen oder Kresse fördern; denn Pflanzen reagieren ja nicht auf den Placebo-Effekt. Er potenzierte fünf Substanzen, welche das Wachstum der Pflanzen positiv beeinflussen. Vor allem Gibberellin, ein pflanzliches Wachstumshormon, begünstigte das Wachsen der Wasserlinse oder der Zwergerbsen signifikant. Bei Kresse hingegen konnte Baumgartner keinen Einfluss feststellen.
Die Mitarbeiter der Kikom erforschen aus eigener Initiative oder aufgrund öffentlicher Aufträge die Wirksamkeit von Komplementärmedizin. Dabei setzen sie auf Zusammenarbeit, sowohl mit anderen Instituten der Uni Bern als auch mit Instituten anderer Universitäten aus dem In- und Ausland.