Aus Karies wird Kunst

So stellt man sich Karies kaum vor – als wunderschönes Farbfoto im A3-Format. Der neue Zahnkalender der Klinik für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin der Uni Bern ist jetzt erhältlich.

Von Bettina Jakob 02. November 2006

Es ist nicht etwa eine Tulpe, die sich da sanft entfaltet. Was auf dem Foto hübsch vom Rot ins Blau fliesst, ist in Tat und Wahrheit Karies, die sich böse durch den Zahnschmelz frisst. Doch auf den farbigen, betörenden Bildern aus der Zahnmedizinischen Forschung sieht die üble Tat der Lactobazillen und Streptokokken aus wie ein exotisches Blütenblatt. «Diese Bilder sind nur ein Nebenprodukt», sagt Adrian Lussi, Direktor der Klinik für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin der Uni Bern. Sie entstehen während seinen Forschungsexperimenten, in welchen er herausfinden will, wie Karies möglichst schnell erkannt werden kann, bevor der Zahn schliesslich ein Loch hat. Dass dabei Bilder entstehen, welche bunt leuchten, hat mit den Färbungen der Zahnproben zu tun. Die schönsten Exemplare sammelt Lussi jeweils in einem Jahreskalender – jetzt erscheint er zum siebten Mal.


Forschung kann betören, wie die Bilder aus der Zahnmedizin beweisen. (Bilder:zvg)

Der 80-jährige Zahntechniker zaubert

Der eigentliche Künstler hinter den Bildern ist jedoch nicht Adrian Lussi sondern Herrmann Stich. Der Zahntechniker und Dr. honoris causa hat eigens eine Färbemethode entwickelt, die noch heute mit Erfolg angewendet wird. Und noch immer steht Stich oft gar selbst im Labor in der Insel, von Ruhestand wolle der über 80-Jährige nicht viel wissen, wie Lussi sagt. So jongliert der Zahntechniker mit Fuchsin, einem roten Färbemittel, appliziert Lichtgrün, eine Gegenfärbungslösung und rückt die hauchdünnen, histologischen Zahnschnitte ins richtige, polarisierende Licht. «Dadurch entstehen die tausend Farben», erklärt Lussi, der auch schon mal seinen Zahntechniker der «Kunst» halber zu «Spielereien» mit dem Licht und Mikroskop aufforderte.


Im richtigen Licht wirken gar Antibiotika-Rückstände schön.

Antibiotikum wird sichtbar

Wenn die Forschung schön aussieht, soll man sie zeigen. Nicht nur in einem Kalender, sondern an den Vorlesungen oder in den Vorträgen, denn die Bilder haben natürlich eine medizinische Aussage: Die gelben Tentakel auf dem roten Hintergrund sind zum Beispiel Tetrazyklin-Einlagerungen, also Spuren eines Antibiotikums, das sich im Zahnmaterial manifestiert, erklärt Lussi (Bild oben). Mit ein bisschen Farbe wird Chemie zu Kunst, schmunzelt der Zahnmediziner, der ursprünglich Chemie-Gymnasiallehrer war. Jetzt ist er Zahnmediziner und frischernannter Professor und Klinikleiter. «Das hätte ich nie gedacht», sagt Lussi. Auch nicht, dass sein Zahnkalender soviel Biss hat: Die Auflage liegt bei stolzen 500 Exemplaren.


Schmelz und Dentin mal bunt statt weiss.

Der Zahnkalender 2007 kann bei der Klinik für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin, Freiburgstrasse 7, 3010 Bern bestellt werden oder per Fax unter der Nummer 031 632 98 75. Er ist im Querformat (A3) erhältlich und kostet 52 Franken. Der Gewinn wird ausschliesslich für die Forschung an der Klinik für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin gebraucht. 

Hohe Auszeichnung

Der mit rund 70'000 Franken dotierte Yngve Ericsson-Preis 2006 für Forschung in der Präventivzahnmedizin wurde kürzlich an Prof. Dr. Adrian Lussi, Universität Bern, Schweiz, und Prof. Dr. Jorma Tenovuo, Universität Turku, Finnland vergeben. Der Yngve Ericsson-Preis wird alle drei Jahre in Stockholm an Forscher aus der ganzen Welt überreicht. Lussi wird für seine Untersuchungen über Zahnkaries und Zahnerosionen ausgezeichnet. Zahnerosion, die direkte Auflösung der Zähne durch Säure, ist heute ein immer wichtiger werdendes Problem. Durch seine systematischen Untersuchungen klärte er Mechanismen auf, die zu den Erosionen führen und leitete daraus Prophylaxevorschläge ab.

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