Arthrose-Mittel entpuppt sich als wirkungslos

Ernüchternde Neuigkeiten für Arthrose-Patienten: Der oft verschriebene Wirkstoff Chondroitin hat keinen klinisch relevanten Effekt, wie eine Studie der Uni Bern zeigt. Die Alternative: Physiotherapie.

Von Bettina Jakob 17. April 2007

Nicht alles was die Krankenkasse bezahlt, scheint auch tatsächlich zu wirken: Die neueste Studie des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Uni Bern legt nahe, dass der Wirkstoff Chondroitin bei Arthrose vermutlich nicht schmerzlindernd ist. «Bei fortgeschrittener Arthrose nützen die entprechenden Präparate nicht besser als ein Scheinmedikament», sagt Studienleiter Peter Jüni. Zu diesem Schluss kommen die Forschenden nach der Untersuchung von 20 klinischen Studien mit insgesamt 3846 Patientinnen und Patienten. Die Meta-Studie wurde im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Muskuloskelettale Gesundheit - Chronische Schmerzen» (NFP 53) durchgeführt. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe der medizinischen Fachzeitschrift «Annals of Internal Medicine» publiziert.

Röntgenaufnahme einer Knie-Arthrose
Wenn jeder Schritt weh tut: Knie-Arthrosen sind ein häufiges Problem in der Schweizer Bevölkerung. Bild: istock

Effekt klinisch nicht relevant

Arthrose ist eine häufige Erkrankung des Bewegungsapparates: Schätzungsweise 900'000 Schweizerinnen und Schweizer leiden unter der schmerzhaften Abnutzung der Knorpelschicht in den Knie- und Hüftgelenken. Eine Arthrose wird primär mit Schmerzmitteln oder mit Entzündungshemmern behandelt – und eben mit Chondroitin. Die Kapseln mit Chondroitinsulfat, einem Bestandteil des Knorpelgewebes, sollten einerseits die Schmerzen lindern und andererseits den abgetragenen Knorpel wieder aufbauen: In den untersuchten Studien wurde vor und nach der Therapie der Gelenkspalt ausgemessen. Diese Messungen zeigten aber gemäss Medienmitteilung des Schweizerischen Nationalfonds keinen klinisch relevanten Effekt von Chondroitin.

Epidemiologe Peter Jüni fasst zusammen: «Je länger und je gründlicher man nach einer Wirkung suchte, umso weniger fand man sie.» Insbesondere die jüngsten Studien der letzten zwei Jahren entlarven den Wirkstoff als nutzlos. Jedenfalls bei fortgeschrittener Arthrose – bei einer leichgradigen Erkrankung können die Forschenden «eine gewisse Wirkung nicht vollständig ausschliessen».

Experte empfiehlt Physiotherapie

«Die Herstellerfirmen sind über unsere Resultate informiert», so Peter Jüni, «und natürlich wenig erfreut.» Er fordert diese auf, unabhängigen Experten Einsicht in ihre bisherigen Studiendaten zu erlauben, damit geklärt werden könne, inwieweit das Chondroitin wenigstens bei leichter Knorpelabnützung wirksam sei. Konsequenzen aus den neuesten Erkenntnissen entstehen voraussichtlich auch für die Krankenkassen, welche die Chondroitin-Präparate über die Grundversicherung abrechnen. Und natürlich für die betroffenen Patientinnen und Patienten - denn ein Alternativ-Medikament gibt es gemäss Jüni nicht. Die einzige Behandlung, die der Experte bei Arthrose neben Schmerzbekämpfung empfehlen kann, ist die Physiotherapie: «Die Muskeln stärken, besonders bei Problemen mit den Knien.»  

Weiterführende Informationen

Nationale Forschung zum Bewegungsapparat

bj. Das Nationale Forschungsprogramm «Muskuloskelettale Gesundheit - Chronische Schmerzen» (NFP 53) wurde vom Bundesrat in Auftrag gegeben, weil Erkrankungen des Bewegungsapparats ein grosses Problem für das Gesundheitswesen und für die Volkswirtschaft darstellen. Rund 30 Prozent aller Arztkonsultationten sind gemäss Medienmitteilung darauf zurück zu führen. Im NFP 53 versuchen Forschende aus der ganzen Schweiz, praxisrelevante Resultate für die Behandlung und die Vorsorge zu liefern. Das Programm umfasst sechs Module mit 24 Projekten. Für die Durchführung stehen von 2004 bis 2009 insgesamt 12 Millionen Franken zur Verfügung.