Biologen haben die Hufeisennase auf dem Radar

Die Fledermaus «Kleine Hufeisennase» steht auf der Roten Liste. Ursache für die Bedrohung ist aber nicht die Nahrung, wie vermutet wurde. Biologen der Uni Bern haben nachgewiesen, dass sich die Art erholen kann, wenn genügend waldreiche Gebiete vorhanden sind.

Von Bettina Jakob 05. Dezember 2007

Die Kleine Hufeisennase hat Glück. Die vom Aussterben bedrohte winzige Fledermausart kann sich in der Schweiz halten, solange den Tieren waldreiche Gebiete für die Jagd zur Verfügung stehen. Das schliessen Berner Biologen aus den neuesten Resultaten ihrer Bestandesaufnahmen. Sie konnten nachweisen, dass der Rückgang der Art nicht etwa auf fehlende Nahrung zurückzuführen ist, wie die Forscher von der Abteilung «Conservation Biology» ursprünglich annahmen. «Die Ergebnisse widerlegen eine wichtige Hypothese», sagt Fabio Bontadina ­ und sie bringen gleichzeitig Hoffnung für eine fast verschwundene Tierart: Durch gezielte Förderung von Waldstrukturen und Landschaftsverbindungen kann sich die Fledermausart sogar erholen. Die Ergebnisse sind nun im «Journal of Applied Ecology» publiziert.

Kleine Hufeisennase an Kuhkette
Kleine Hufeisennase an Kuhkette: Mit 5 Gramm ist sie nur wenig schwerer als ein Würfelzucker. Bild: Zvg/Fabio Bontadina/swild.ch

Nur noch wenige Kolonien in der Schweiz

Das grosse Sterben der Kleinen Hufeisennasen, die nur fünf Zentimeter gross werden, erfolgte zwischen den 50er und 70er Jahren: Bis dahin galten die Winzlinge als eine der verbreitetsten Fledermausarten in der Schweiz; heute gibt es nur noch einige Kolonien in den Alpentälern von Graubünden, Obwalden und Bern. Warum die Art heute auf der Roten Liste für gefährdete Arten steht, ist noch ungeklärt: «Die Evaluation der Ursachen für den gravierenden Rückgang ist komplex», sagt Bontadina. Fledermausexperten gehen von rund 12 möglichen Faktoren aus, die sich negativ auf die Fledermausbestände auswirken können. Auf der Suche nach Gründen folgen die Forschenden dem Wahrscheinlichkeitsprinzip, «und an erster Stelle stand der Faktor Nahrung», so Bontadina.

Das Futter unter der Lupe

Die Untersuchungen waren wie folgt angelegt: Der Diplomand Sebastian F. Schmied harrte 75 Nächte an 15 aktuellen und ehemaligen Standorten der Hufeisennasen aus, registrierte die dort herumschwirrenden Mücken und Falter und verglich seine Resultate später mit Kotproben der Fledermäuse. Das Fazit lautete: Die Kleine Hufeisennase ist nicht wählerisch und frisst, was ihr vor die Nase fliegt. Und: «Da im Umfeld der ausgestorbenen Populationen gleich viel Nahrung nachgewiesen werden konnte wie bei den zurzeit zunehmenden Populationen, ist klar, dass diese Fledermausart nicht durch Nahrungsknappheit bedroht ist», stellen die Forschenden fest. Die Kleine Hufeisennase jagt mit spezialisierten Ultraschallrufen in hoher Frequenz, spezialisiert für die Beutedetektion in dichter Vegetation.

Nächste Untersuchungen: Pestizide

Was hat den Däumling in der Schweiz denn dezimiert? «Organochlor-Pestizide könnten es gewesen sein», sagt Fabio Bontadina, sie folgen gleich an nächster Stelle der möglichen Ursachen: Diese Umweltgifte seien vor 50 Jahren bis zum Verbot 1972 in der Landwirtschaft und im Holzschutz noch eingesetzt, und dadurch vielleicht in der Nahrungskette der Fledermäuse angereichert worden. Doch auf Vermutungen lässt sich Bontadina nicht hinaus, Untersuchungen in dieser Richtung seien hingegen schon aufgegleist. Aber vorerst schlafen sich die Kleinen Hufeisennasen durch den Winter ­ in unterirdischen Spalten, wo der Frost nicht nach den Pelzbällchen greifen kann.

Quelle: Bontadina, F, Schmied, SF, Beck, A, Arlettaz, R. (2008). Changes in prey abundance unlikely to explain the demography of a critically endangered Central European bat. Journal of Applied Ecology. doi: 10.1111/j.1365-2664.2007.01417.x

Fledermäuse in der Schweiz

Die Untersuchungen wurden im Rahmen eines nationalen Forschungsprojektes der Schweizerischen Koordinationsstelle für Fledermausschutz durchgeführt. Die Stelle überwacht die 30 verschiedenen Fledermausarten, die in der Schweiz leben. Das Spektrum der Arten reicht vom seltenen Riesenabendsegler, dessen Flügelspannweite 50 Zentimeter aufweisen kann, bis zur winzigen Mückenfledermaus, die gerade mal eine Körperlänge von 5 Zentimetern erreicht.