Kartoffeln setzen zwischen Ritual und Wissenschaft

In Bolivien unterliegt der Ackerbau vielen Traditionen. Die Uni Bern hilft mit, dass Wissenschaft und Kultur Hand in Hand gehen. Die Sommerserie des «uniaktuell» präsentiert Berner Projekte im Ausland.

Von Bettina Jakob 07. August 2007

Cochabamba – so heisst eine Stadt auf 2500 Höhenmeter mitten in Bolivien. Übersetzt aus der Inkasprache, dem Quechua, bedeutet der Name «sumpfige Ebene». Und auf diesem fruchtbaren Land gedeihen Getreide, Kartoffeln, weiden Kühe und Schafe. «Doch aufgrund der Globalisierung sind die bolivianischen Landwirte schon lange unter Druck gekommen», sagt Stephan Rist vom «Centre of Development and Environment» (CDE) der Uni Bern und rekapituliert die Auswirkungen der «grünen Revolution»: Um mehr Erträge zu erzielen, wurde der Einsatz von Kunstdünger und Pestizid erhöht. Dadurch stiegen die Produktionskosten und gleichzeitig fielen wegen der Öffnung der Märkte die Preise.

Die indigenen Kleinbauern sind stolz auf ihre Gemeinschaft und auf  Traditionen. (Bilder: zvg)
Die indigenen Kleinbauern sind stolz auf ihre Gemeinschaft und auf Traditionen. (Bilder: zvg)

Mit wenigen Sorten erzielten die Bauern zwar vorübergehend mehr Umsatz. «Doch ökologische Probleme wie Schädlingsresistenzen und Bodenerosion fordern einen hohen Preis», so Rist. Und: Die bisher auf ihre indigene Identität stolzen Kleinbauerngemeinschaften produzieren in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, unter welcher ihre kulturell bestimmte Lebensform leidet – Rituale finden keinen Platz mehr, Kultur geht verloren.

Zwei Welten schliessen sich zusammen

Einheimische Agronomen sollen sich nun um eine nachhaltigere Ressourcennutzung kümmern – aber nicht ohne die Arbeits- und Lebensweise der Landwirte besser kennenzulernen. Stephan Rist hat zusammen mit Kolleginnen und Kollegen des CDE und der «Universidad Mayor de San Simon» ein Lehrmodul entwickelt, das die Lehre gezielt mit den Bauerngemeinschaften und deren Wissen in Verbindung bringt. «Die künftigen Landwirtschaftsexperten verbringen eine Woche in einer Bauerngemeinschaft», erklärt Rist das Konzept an einem Beispiel. Aus diesem Zusammentreffen soll eine gemeinsame Wertebasis entstehen: Die Bauern lernen harte Fakten über die wissenschaftliche Landwirtschaft und die Agronomen setzen sich mit dem Bauernkalender auseinander, der eng an traditionelle Gewohnheiten geknüpft ist», sagt Stephan Rist – etwa an Erntedankrituale für «Pachamamma», der Mutter Erde.

Wissensaustausch im Feld: Bauern und Agronomen in der Diskussion.
Wissensaustausch im Feld: Bauern und Agronomen in der Diskussion.

«Die Produktion von Kartoffeln ist in Bolivien viel mehr als einfach Ackerbau. Sie hat eine sozial-kulturelle Dimension», erklärt der Berner Wissenschaftler. Erst wenn beide Seiten an einem Strick ziehen würden, könne eine nachhaltige Landwirtschaft gedeihen. Das Schlagwort heisst hier: interkultureller Dialog. Rist fliegt zwei bis dreimal pro Jahr nach Cochabamba und sorgt mit den bolivianischen Uni-Kolleginnen und -Kollegen für mehr Nachhaltigkeit in Lehre und Forschung. Und dafür, dass zwei Weltsichten sich nicht aus- sondern zusammenschliessen.

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