Das Berner Oberland und das Klima

Mit der Klimaänderung sind höhere Temperaturen zu erwarten, im Alpenraum ganz ausgeprägt. Experten der Uni Bern zeigen in einer neuen Studie mögliche Auswirkungen auf den Tourismus im Berner Oberland auf.

Von Bettina Jakob 05. März 2007

Das Berner Oberland im Jahr 2030: Eine neue Studie des Forschungsinstituts für Freizeit und Tourismus (FIF) der Universität Bern zeigt, dass sich aufgrund der Klimaerwärmung für die ansässige Tourismus-Branche in den nächsten 20 Jahren einiges ändern kann. Da bezüglich des Ausmasses des Klimawandels grosse Unsicherheiten bestehen, stellen die Autoren Prof. Hansruedi Müller und Fabian Weber die möglichen Auswirkungen in einem Minimal- und einem Maximal-Szenario dar: In ersterem nimmt die Temperatur im Winter um 0,4°C und im Sommer um 0,6°C zu, der Niederschlag nimmt im Sommer ein wenig ab, im Winter leicht zu, die Schneefallgrenze steigt um 60 Meter und der Permafrost beginnt aufzutauen. «Aber insgesamt würden die Veränderungen im Minimal-Szenario etwas weniger turbulent verlaufen als in den letzten Jahren», schreiben die Forscher in der Untersuchung, welche die «Destinationen Berner Oberland» in Auftrag gegeben haben.

Steingletscher
Der Steingletscher hat sich in den letzten 16 Jahren um 273 Meter zurückgezogen. Bild: Sammlung Gesellschaft für ökologische Forschung/Zvg

Im Maximal-Szenario steigt Schneegrenze

Ausgeprägter treten die Auswirkungen der Klimaerwärmung im Maximal-Szenario zutage: Das Berner Oberland müsste gemäss Prognosen während den Wintermonaten mit einer Temperaturerhöhung von 1,8°C rechnen, im Sommer gar mit 2,6°C. Die Niederschläge im Winter könnten um 11 Prozent zunehmen und im Sommer um 18 Prozent abnehmen. Das Lawinenrisiko in hohen Lagen würde dadurch grösser, gleichzeitig kann die Schneesicherheit um bis zu 270 Meter steigen. Das Gletschervolumen nimmt markant ab, der Permafrost schmilzt, es drohen Felsstürze, und im Frühling kann es vermehrt zu Überschwemmungen kommen.

Tourismus ist anfällig für klimatische Veränderungen

Hansruedi Müller und Fabian Weber vom FIF zeigen, wie «anfällig der Tourismus auf klimatische Veränderungen ist – sowohl aufgrund seiner wirtschaftlichen Bedeutung im Berggebiet als auch aufgrund seiner Exponiertheit». Da die Zahl der schneesicheren Gebiete gemäss Klimaexperten künftig wohl abnimmt, kommen vor allem die Betreiber der Bergbahnen, Skilifte und die Schneesportschulen in Bedrängnis, wie Müller sagt. «Einige Bahnen können jedoch ein Wintertief durch starke Besucherzahlen im Sommer kompensieren – etwa die Schilthorn- oder die Jungfraubahnen». Für die künstliche Beschneiung spitzt sich die Lage zu: Aufgrund der Wasserknappheit müssten die Orte in teure Reservoirs investieren.

Viele Hotels müssen mit Einbussen rechnen, da die Skiorte nicht mehr mit schöner Winteratmosphäre locken können; die Touristenfrequenz wird sich dafür vermutlich in den heisseren und trockeneren Sommer verschieben. Bergführer und Outdoor-Veranstalter müssen sich wohl mit steigenden Gefahren bei ihren Aktivitäten (Felsstürze auf alpinen Routen, Überschwemmungen) auseinander setzen; allerdings könnten im Bereich Sicherheitsarbeiten wiederum Arbeitsplätze entstehen. Die Gemeinden und die Tourismus-Organisationen werden gemäss Studie nicht umhin kommen, in das Gefahren-Management zu investieren. 

Diagramm der Schneehöhen an Weihnachten von 1954 bis 2005
Die Schneehöhen an Weihnachten in Mürren gehen in den letzten 50 Jahren tendenziell zurück. Grafik: Zvg

Jeder Ort ist anders betroffen

Der Klimawandel führt im Jahr 2030 im Berner Oberland zu einer Umsatzeinbusse, wie das FIF für das Maximal-Szenario errechnet hat: Im Winter ergeben die Hochrechnungen Verluste von 22 Prozent gegenüber den Umsätzen von 2006, im Sommer rechnen die Experten allerdings mit zusätzlichen Umsätzen von 7 Prozent, «da das Berner Oberland einen starken Sommertourismus hat». Trotzdem: Auch mit Investitionen in Anpassungsmassnahmen ist unter dem Strich im Jahr 2030 ein jährliches Minus von 70 Millionen Schweizer Franken zu erwarten. Und wen trifft es am schlimmsten? «Alle Orte haben eine ganz individuelle Betroffenheit», sagt Hansruedi Müller: Gstaad zum Beispiel bleibe Gstaad, wie wir es kennen: «Es kann zwar weniger Schnee liegen, aber der Ort lebt ja stark von bekannten Persönlichkeiten, vom Sehen und Gesehen werden und von Events. Das Skifahren ist Nebensache.» Und Grindelwald werde vermutlich weiss sein, aber mit dem Gletscher schmelze dem Ort vielleicht die charakteristischste Attraktion weg.

Eine Palette an Vorschlägen

Doch: Die tatsächlichen Auswirkungen hängen stark von den jetzt ergriffenen Massnahmen ab. Die Studie des FIF listet «eine ganze Palette» an Strategien für das Berner Oberland auf: Die Bevölkerung sensibilisieren, die Innovation fördern, das Angebot erweitern und die Saison verlängern, die Forschung intensivieren. Und um das Klima nicht noch weiter zu belasten, schlägt das FIF vor, etwa den öffentlichen Verkehr zu fördern, die Emissionen von Heinzanlagen zu reduzieren und die CO2-Emissionen durch Zertifikate zu kompensieren. «Wir wollen den Destinationen die Augen öffnen und Perspektiven aufzeigen – Massnahmen beschliessen und umsetzen müssen sie diese selber», so Tourismus-Experte Hansruedi Müller. 

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