Das Klima ist angespannt

Der Uno-Klimabericht wird eine weitere Erwärmung prophezeihen, wie der Berner Klimatologe Heinz Wanner bestätigt. Sein Kollege Thomas Stocker, Professor für Klima- und Umweltphysik, stellt erste Resultate morgen, 2. Februar, in Paris vor.

Von Bettina Jakob 01. Februar 2007

Herr Wanner, morgen wird der heiss erwartete Uno-Klimabericht (IPCC) veröffentlicht. Was erhoffen Sie?
Heinz Wanner: Ich denke, der Bericht wird weltweit höchste Beachtung finden: Das Thema «Klima» ist gerade wieder sehr prominent – mit Al Gores Film über den Klimawandel, dem «Stern»-Bericht der britischen Regierung über den Raubbau an der Natur, und einem George Bush, der plötzlich die Ölimporte in die USA verringern will.

Wird der IPCC-Bericht konkrete Prognosen machen, wie sich das Klima verändert? Die Entwürfe, die herumgereicht werden, zeigen bedenkliche Visionen: Durchschnittllich um 3 Grad Celsius soll sich die Erde in den nächsten 100 Jahren erwärmen…
Das stimmt. Je nach Modell bewegt sich die Erwärmung 2 bis 4,5 Grad Celsius, sie konvergieren also bei etwa bei 3 Grad Celsius. Der CO2-Gehalt hat seit Beginn der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert um fast 30 Prozent zugenommen. Die CO2-Konzentrationen sind die höchsten seit 650'000 Jahren, und dieses CO2 verursacht bekanntlich den Treibhauseffekt.

Temperaturmittel der Alpen und der Erde von 1860 bis 2000 im Diagramm
Die Entwicklung des Temperaturmittels in den letzten 140 Jahren – global (blau) und in den Alpen (rot). Die Tendenz ist klar steigend. Grafik: Zvg

Gemäss weiteren Szenarien soll es in der Arktis noch schlimmer werden: Die Erwärmung könnte dort doppelt so hoch ausfallen…
Die Erwärmung trifft nicht alle Regionen in gleichem Ausmass: Die Ozeane reagieren als Wärmereservoire eher langsam, die Kontinente hingegen schnell. In Gebieten mit hohem Erdanteil wird deshalb eine Erwärmung rascher erfolgen. Wenn das Eis auf den Nordteilen schmilzt, kann es ausserdem die Sonneneinstrahlung nicht mehr reflektieren und die Erde, auf welcher das Eis lag, zum Beispiel Grönland, nimmt umso mehr Wärme auf – ein doppelter Effekt. Zudem kann der Meeresspiegel steigen…

… um die 40 Zentimeter bis zum Jahr 2100, wie der Bericht prophezeit. An alledem ist der Mensch schuld?
Er ist mitschuldig. Erstens gibt es natürliche Faktoren, die eine Erderwärmung hervorrufen können: Sich verändernde Bewegungen der Erde um die Sonne, die Leuchtstärke der Sonne selber und starker tropischer Vulkanismus. Zweitens kann aber auch der Treibhauseffekt, der heute klar auf menschlichen Einfluss zurückgeführt werden kann, steigende Temperaturen verursachen. In den letzten Jahrzehnten hat sich gezeigt: Der anthropogene Einfluss ist grösser als der natürliche.

Ist das bewiesene Sache?
Zu 100 Prozent ist nichts bewiesen, der Klimawandel ist eine komplexe Materie. Gehen wir zum Beispiel von natürlichen Einflüssen aus, wie sie in der Kleinen Einzeit zwischen 1350 und 1890 wirkten: Die damals reduzierte Sonnenaktivität und der verstärkte Vulkanismus liessen die Gletscher wachsen. Heute erfolgt dieser Prozess umgekehrt, nur aber übertrifft der Treibhauseffekt diese Auswirkungen. Die stärkste Erwärmung unserer Erde findet ja erst seit den letzten 20 bis 30 Jahren statt.

Wird der IPCC-Bericht die Menschen wachrütteln, so dass sie gleich ihr Auto zu Hause stehen lassen?
Die Hauptprobleme auf dieser Erde können in folgendem Dreieck skizziert werden: Energie, Mobilität, Wasserverknappung. Die Industrieländer könnten überall einen positiven Einfluss nehmen – das scheitert aber meist am Individuum. Ich glaube, ohne politische Entscheide läuft zuwenig.

Doch auch die Politikerinnen und Politiker tun sich schwer… zum Beispiel mit der CO2-Abgabe in der Schweiz.
Politikerinnen und Politiker schildern mir immer wieder, dass sie in der Schere zwischen Umwelt und Wirtschaft stünden.

Was ist Ihr Beitrag zum IPCC-Bericht?
Von der Uni Bern arbeiten namhafte Forscher mit: Zusammen mit Professor Christian Pfister und PD Jürg Luterbacher widme ich mich der historischen Rekonstruktion und dem Verständnis des vergangenen Klimas. Im Autoren-Team des IPCC-Berichtes sind die Professoren Joos Fortunat (Physik) und Thomas Stocker, Leiter der Abteilung für Klima- und Umweltphysik, vertreten. Stocker ist sogar leitender Autor des ersten Teils. Morgen wird er in Paris die wichtigsten Resultate mitpräsentieren. 

Das ist das IPCC

Das sogenannte IPCC («Intergovernmental Panel on Climate Change») wurde 1988 ins Leben gerufen. Der Uno-Wissenschaftsrat für den Klimawandel soll die Risiken des Klimawandels untersuchen und Vermeidungsstrategien entwickeln. Nachdem die ersten drei Berichte 1990, 1995 und 2001 erscheinen, wird morgen der erste Teil des vierten Berichtes vorgestellt. An dieser Arbeit sind hunderte von Forschenden aus der ganzen Welt beteiligt, als leitender Autor dieser ersten Gruppe tritt der Berner Klimaforscher Thomas Stocker auf.

Weiterführende Links

Heinz Wanner ist Professor der Klimatologie und Meteorologie an der Uni Bern und seit 2001 ist er Direktor des Nationalen Entwicklungsschwerpunkts Klima (175 Mitarbeitende). Zudem ist er Co-Direktor von PAGES (Past Global Changes), einem internationalen Forschungsnetzwerk mit Sitz in Bern. Letztes Jahr erhielt Wanner den «Prix Vautrin Lud», der als Nobelpreis für Geografie gilt.

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