Endlich schwanger mit Psychologie?

Wenn es einfach nicht «einschlagen» will: Für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch ist die künstliche Befruchtung oftmals der letzte Ausweg. Eine Berner Studie soll klären, ob eine psychologische Begleitung die Erfolgsaussichten verbessert.

Von Bettina Jakob 09. Februar 2007

Die Hormone sind gefallen, die Tränen fliessen: Wieder vergebens gezittert, gebetet, gehofft. Oftmals stirbt schon seit Jahren jeden Monat ein Traum – wieder nicht schwanger. «Paare mit unerfülltem Kinderwunsch sind psychisch hoch belastet», sagt Hansjörg Znoj, Professor der Klinischen Psychologie an der Universität Bern. In diesem Zustand landen viele in der Frauenklinik des Inselspitals – die Hormonbehandlung, eine Insemination oder gar eine künstliche Befruchtung ist der letzte Ausweg. Damit geht der Stress gleich weiter: «Die hormonelle Einstellung ist wie ein potenzierter Monatszyklus, also ein Belastungsmarathon für die Frau», so Znoj. Medizinische Eingriffe wie die Eizell-Entnahme und die Einsetzung eines Embryos bei der Invitro-Fertilisation lösten zudem viele Ängste aus, und die teuren Behandlungen drückten auf das Portemonee. «Kein sehr empfangfreudiges Klima», sagt Znoj. Zusammen mit der Ärztin Dorothea Wunder, Leiterin des Kinderwunschzentrums der Frauenklinik, will der Psychologe mit einer Studie herausfinden, welchen Einfluss die Psychologie auf die Fertilität hat.  

Foto eines Schwangerschaftsbauches
Schwanger werden – ein Zusammenspiel zwischen Körper und Psyche. Bild: istock

Viele Betroffene sind depressiv

Eine Voruntersuchung zeigt: Von rund 80 ungewollt kinderlosen Paaren weisen 25 Prozent krankhafte Depressionswerte auf; die Wahrscheinlichkeit, einmal im Leben an einer Depression zu erkranken, liegt gemäss Znoj bei 10 bis 15 Prozent. Znoj richtet den Fokus seiner Studie denn auch auf die Verbesserung der psychischen Gesundheit der Betroffenen. Inwieweit eine therapeutische Begleitung der sechswöchigen Fertilitätsbehandlung direkt Einfluss auf die Fruchtbarkeit hat, kann der Psychologe nicht abschätzen – er erhofft sich «vielleicht fünf Prozent». Für Ärztin Dorothea Wunder war dieser wünschenswerte Effekt Arbeitshypothese, als sie ihre Idee an Znoj herantrug: Sie habe viele Frauen kennengelernt, die während der künstlichen Befruchtung freiwillig psychologische Hilfe aufsuchten – und dann endlich schwanger wurden. «Natürlich ist diese Kausalität nicht bewiesen – deshalb brauchen wir Studien zu diesem Thema, bisher gibt es kaum fundierte Dokumentationen», bedauert Wunder.

So sieht das Studiendesign aus

Hansjörg Znoj hat folgendes Programm aufgestellt: Während der Fertilitätsbehandlung steht einmal pro Woche eine Gruppensitzung mit erfahrenen Psychotherapeutinnen und -therapeuten an, dreimal wird per Fragebogen der Gemütszustand der Betroffenen eingeschätzt. «Wir wollen erfassen, wie diese Menschen mit schwierigen Gefühlen umgehen, und ob sich dies im Verlauf der Therapie ändert», so Znoj. Die Sitzungen sollen ein Fähigkeitstraining bieten: «Wir vermitteln Tipps zum Stressabbau, Techniken, wie man sich entspannt.» Die Betroffenen lernen, sich mit den eigenen Wünschen auseinanderzusetzen – aber auch mit möglichen Enttäuschungen: «Sprich damit, dass eine Schwangerschaft auch nach einer Invitro-Fertilisation ausbleiben kann», so der Forscher. Zurzeit suchen Ärztin Wunder und der Psychologe Znoj noch Paare; um repräsentative Daten zu erhalten, müssen mindestens 64 Personen an der Studie teilnehmen, ebenso in der Kontrollgruppe. «Im Mai wollen wir starten», so Znoj.

Die Gründe für Unfruchtbarkeit

Dorothea Wunder hofft auf Weg weisende Resultate. Die Ärztin sieht jeden Tag in der Klinik, dass die kinderlosen Paare «wahnsinnig leiden». Gerade bei ausländischen Paaren könne die Belastung ins Unermessliche steigen: «Sie stehen zusätzlich zum persönlichen unter starkem kulturellen Druck, endlich ein Kind zu kriegen.» Grundsätzlich scheint es betroffene Frauen mehr mitzunehmen als ihre Männer. Ausser wenn die Kinderlosigkeit auf schlechte Qualität der Spermien zurückzuführen ist. «Männliche Unfruchtbarkeit wird gesellschaftlich – immer noch und fälschlicherweise – mit Impotenz gleichgesetzt.»

Im Allgemeinen geht davon aus, dass die Ursachen zu je 30 Prozent bei Mann und Frau liegen, das können etwa missgebildete Samenzellen, hochstehende Hoden, verschlossene Eileiter oder Gebärmutterschleimhaut, die ausserhalb der Gebärmutter wächst (=Endometriose), sein. In 30 Prozent der Fällen sind sowohl bei Frau und Mann Faktoren für die Unfruchtbarkeit zu finden und in rund zehn Prozent sind keine organischen Ursachen nachweisbar. Hier kann nur Psychologie helfen. Oder ein Wunder.

Weiterführende Informationen

Insemination/ Invitro-Fertilisation

bj. Eine Insemination wird oft durchgeführt, wenn die Ursache der Unfruchtbarkeit bei den Samenzellen liegt. Entweder sind Anzahl und Beweglichkeit eingeschränkt oder sie sind verformt. Über einen dünnen Schlauch werden die Spermien beim Eisprung direkt in die Gebärmutter eingeleitet. Eine Invitro-Fertilisation kommt in Frage wenn zum Beispiel die Eileiter irreparabel geschädigt sind oder eine schwere Endometriose vorliegt. Mit Hormonen werden die Eierstöcke zur Eizellproduktion angeregt. Mit Hilfe des Scheidenultraschalls werden die Eizellen abgesaugt und die Befruchtung erfolgt ausserhalb des Mutterleibes: Alle Eizellen werden in einer Glasschale mit den Samenzellen zusammengebracht und zwei Embryonen im Vier- bis Achtzellstadium mittels feinem Katheter in die Gebärmutter injiziert.