Fuchs, du hast die Maus gestohlen
Jagen lassen statt selber zu jagen: Bauern können die Mäusejagd vielleicht bald abdelegieren – an Fuchs, Hermelin und Katze. Der Berner Populationsbiologe Olaf Fülling testet ein neuartiges Fallen-System.
Kurzes Einmaleins zur Mäusejagd: Eine Hektare misst 100 auf 100 Meter. Im Normalfall tummeln sich auf einer Wiese dieser Grösse rund 50 bis 100 Mäuse. «Aber Mäusepopulationen unterliegen natürlichen zyklischen Schwankungen und im Extremfall vergrössert sich die Kolonie um Faktor 10», sagt Olaf Fülling, Biologe am Zoologischen Institut der Uni Bern. Und dann geht für den Bauern die Rechnung nicht mehr auf: 1000 gefrässige Feldmäuse oder einige hundert der grösseren Schermäuse vertilgen eine Plantage von Kulturpflanzen im Nu, sie fressen sich munter durchs Wurzelwerk, zu ernten gibt es für den Landwirten gar nichts mehr. Tummelt sich eine riesige Kolonie auf der grünen Wiese, «verseuchen» die unzähligen Erdhaufen die Silage für die Kühe.

«Ein altbekanntes Problem – Mäuse gab es immer, Bauern gab es immer», so Fülling. Einzig die «Bekämpfungsmethoden» hätten sich im Laufe der Zeit geändert. Nun testet der Populationsbiologe eine spezielle Falle, die der Schweizer Erfinder Jean Malevez auf den Markt gebracht hat, auf ihre Effizienz hin: nämlich eine ökologische Falle. Erste Resultate stellt Fülling im Rahmen eines Vortrags bei «venturelab» vor, einer Veranstaltung der Förderagentur für Innovation KTI.
Nach dem Prinzip von Räuber und Beute
Gifteinsätze gegen Mäuse sind seit den 1980er Jahren mehr und mehr in Verruf gekommen, da auch die Mäuseräuber nach dem Verzehr verseuchter Tiere starben. Die klassischen Schlagfallen («Tätschfallen») sind gemäss Fülling zwar effizient, aber mit der regelmässigen Kontrolle der Fallen fällt ein hoher Arbeitsaufwand an. Die neue Art Mäuse zu fangen, nutzt die Gesetze der Natur. «Sie greift auf das natürliche Räuber-Beute-System zurück, das in der freien Wildbahn herrscht», erklärt Fülling.
Und so funktionierts: Man nehme einen Zaun und ziehe diesen rund um die Wiese oder die Obstplantage; diese Abschrankung alleine halte bereits sehr viele Mäuse ab, so Fülling. Direkt am Zaun stelle man in regelmässigen Abständen reusenartige Lebendfallen auf; die Maus wird häufig hineintappen, da sie nach einem Durchlass in der Abschrankung sucht. Die Spezialität der Falle ist ein Deckel, den die natürlichen Feinde der Mäuse – Katze, Fuchs und Hermelin – öffnen können, um an die Maus zu gelangen.

Hermelin, Katze und Fuchs
Füllings Videoaufnahmen an den drei Versuchsstandorten beweisen: Die drei Mäuseräuber begreifen sehr schnell, sie riechen die Beute in den Fallen und lernen, den Klappdeckel zu öffnen. Der Hermelin klappert die Fallen nach sieben Wochen Testzeit tagsüber bereits mehrmals ab, in der Dämmerung kommt die Katze und in der Nacht kontrolliert der Fuchs gemäss Fülling «manchmal drei- bis viermal» die Fallen und sucht nach einer Mitternachts-Mahlzeit. «Mechanische Komponenten wie Zaun und Fallen bilden zusammen mit dem natürlichen Räuber-Beute-Komplex ein selbstregulierendes System», fasst Fülling das Prinzip zusammen. Entscheidend ist dabei, dass Räuber, welche die Fallen absuchen, zusätzlich auch diejenigen Mäuse vertilgen, die sie ausserhalb der Fallen am Zaun antreffen. Nur wenn sich eine Maus nicht in die Nähe des Zauns bewegt, gerät sie nicht in die Fänge eines Feindes.
Spart Zeit und Geld
Aufgrund erster Beobachtungen darf Olaf Fülling – und damit seine Geldgeber die Bundesämter für Landwirtschaft und für Umwelt und einige kantonale Stellen – zuversichtlich sein: «Die Wirksamkeit einer kombinierten Anlage von Falle und Zaun wird sehr hoch sein, wir hoffen auf Werte von über 90 Prozent.» Parallelversuche ausschliesslich mit Zäunen weisen wesentlich tiefere Werte auf. «Im Vergleich zu konventionellen Schlagfallen wird das Räuber-Beute-System für den Bauern auf jeden Fall eine Zeit- und Geldersparnis bedeuten», schliesst der Populationsexperte. «Wenn das keine ökologische Mäusejagd ist.»
Weiterführende Informationen
Die Schlusspräsentationen der studentischen «Start-up»-Projekte finden heute, 26.6.2007 ab 17 Uhr im Uni-Hautpgebäude statt. Auch der Berner Biologe Olaf Fülling berichtet über sein «Nagetier-Management»