Netzwerken für den Wandel

Am 1. Nationalen «ClimateForum» in Thun treffen sich am 6. September Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zum Meinungsaustausch über den Klimawandel. Der Berner Klimaphysiker Thomas Stocker ist vom Nutzen solcher Foren überzeugt.

Interview: Marcus Moser 05. September 2007

Thomas Stocker, die Liste der Referenten am 1. «ClimateForum» ist lang und beeindruckend, selbst Al Gore hält über Satellit eine 20minütige Rede. Der Klimawandel ist längst in aller Leute Mund, warum braucht es jetzt noch dieses Forum?
Thomas Stocker: Es ist wichtig, dass wir mögliche Handlungsoptionen angesichts der Klimaproblematik in einem breiten Rahmen diskutieren. Wir wenden uns in Thun an Entscheidungsträger, die an einer Auseinandersetzung interessiert sind. Das Forum soll auch keine einmalige Sache bleiben, sondern regelmässig wiederholt werden.

Thomas Stocker
«Jetzt geht es eben um die Wurst, konkrete politische Massnahmen sind formuliert»: Der Berner Klimatologe Thomas Stocker kämpft für die CO2-Abgabe. Bild: bj

Das Thema «Klimawandel» belegt heute einen Spitzenplatz auf der politischen Agenda, Mahner in dieser Sache gibt es indes seit 20 Jahren.
Stimmt. Ich habe mich auch schon gefragt, warum die oft wiederholte Nachricht erst jetzt so eingeschlagen hat. Aber es gab eine Reihe von Ereignissen, die in einer direkten zeitlichen Abfolge lagen: Zunächst die extremen Wetterereignisse weltweit, in der Schweiz der Hitzesommer 2003 sowie die immer häufiger auftretenden Überschwemmungen. Das sind Auswirkungen der Klimaerwärmung die uns allen zeigen, dass auch wir verletzlich sind. Dieses Gefühl der Verletzbarkeit gab es in den 1990er Jahren nicht. Als weiteren Faktor würde ich Al Gores Film nennen, den sehr viele Leute gesehen haben. «An Inconvenient Truth» (Eine unangenehme Wahrheit) verarbeitet die Fakten in einer anderen Weise, als dies jeweils in den Tagesmedien passiert.

Dann kam der Weltklimarat IPCC der UNO ab Februar mit seinen Berichten...
Ja, und zwar mit grosser Schlagkraft: Die Formulierungen sind sehr deutlich, weil dies der Stand des Wissens nun zulässt. Die Berichte stützen sich auf die Arbeiten von mehreren tausend Wissenschaftlern aus aller Welt. Hinzu kommt: Wir leben seit zwei Jahren in einer guten wirtschaftlichen Konjunktur. Die Arbeitslosenquote ist massiv gesunken; die Gesellschaft kann sich damit auch gegenüber anderen Problemen öffnen.

Dennoch sind in den letzten Monaten auch verstärkte Aktivitäten von Kreisen zu beobachten, die jeden Klimawandel leugnen und als Hysterie bezeichnen.
Das ist so. Jetzt geht es eben um die Wurst, konkrete politische Massnahmen sind formuliert. Es geht nun um die Durchsetzbarkeit. Es gibt einen weiteren Grund: Abweichende Meinungen erhalten sofort eine Plattform, es gibt für diese Stimmen viele Interviewanfragen und man kann leicht Bücher publizieren. So funktioniert das Mediensystem.

Sie sind eine der Gallionsfiguren in der Klimadiskussion. Wie gehen sie selber mit Anfeindungen um?
Ich versuche mich möglichst nüchtern mit den Einwänden auseinander zu setzen. Allerdings nur mit jenen, die eine seriöse Basis haben. Bei blosser Polemik bin ich nicht bereit, Stellungnahmen zu verfassen.

Der Klimarat IPCC spricht in seinen Berichten von einer grossen Wahrscheinlichkeit, dass der Klimawandel durch den Menschen verursacht ist. Wann wird aus 90prozentiger Wahrscheinlichkeit 100prozentige Sicherheit?
Es gibt noch Unsicherheiten bei komplexen Prozessen wie Wolkenbildung oder Regen. Die 90 Prozent der IPCC-Berichte muss man als kleinsten gemeinsamen Nenner aller beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verstehen. Für mich ist der Prozentsatz höher, aber das ist Ermessenssache. Unser heutiges Wissen ist meiner Überzeugung nach zum Handeln komplett ausreichend. Es gibt in keinem gesellschaftlichen Handlungsfeld absolute Gewissheiten. Diese zu verlangen, um nicht reagieren zu müssen, halte ich für verantwortungslos.

Wann ist das 1. Thuner Klimaforum für Sie ein Erfolg?
Wenn es gelingt, auch Gegner von umfassenden Lenkungsmassnahmen auf CO2-Emmissionen davon zu überzeugen, dass dieser Schritt nötig ist. Dann haben wir das Ziel erreicht.  

Uni Bern am «ClimateForum»

mm. Das «Climateforum» findet am 6. September 2007 zum ersten Mal in Thun statt. Die Universität Bern ist als Trägeruniversität des Nationalen Forschungsschwerpunkt Klima (NFS Klima) einer der Patronatspartner. Die Professoren Thomas Stocker und Heinz Wanner vertreten die Klimaforschung der Universität Bern im Beirat.