Geologen schreiben neues Kapitel in der Erdgeschichte

Geologen schliessen von Kristallen im Magma auf die Chemie der innersten Erdschichten. Allerdings gehen die Erkenntnisse nicht so tief – nämlich nur bis in 20 Kilometer Tiefe statt wie bisher angenommen bis 100 Kilometer, wie ein australischer Forscher an der Uni Bern im Wissenschaftsjournal «Nature» publiziert.

Von Bettina Jakob 16. Mai 2007

Grollendes Donnern, türmende Rauchwolken und glühende Lavaströme – ein Vulkanausbruch ist ein schaurig-schönes Spektakel. Für die Wissenschaft ein sehr tiefgründiges, denn das Magma, welches die Erde ausspuckt, enthüllt Geheimnisse aus dem Erdinnern. Magma ist eine Masse aus Gesteinsschmelze und Kristallen. Aufgrund von Schmelzeinschlüssen in diesen Kristallen schliessen Geologen auf die chemische Zusammensetzung der tiefen Erdschichten. Eine neue Studie von Carl Spandler an der Australian National University (ANU) rüttelt nun an den bisherigen Annahmen: Die Chemie der Einschlüsse widerspiegle nicht die vorherrschenden Bedingungen bis in rund 200 Kilometern Tiefe – sondern nur bis in rund 2 bis 20 Kilometern Tiefe. «Einige goldene Wahrheiten in der Erdwissenschaft müssen neu überdacht werden», sagt Thomas Pettke, der eine SNF-Förderungsprofessur am Institut für Geologie in Bern innehat. Dr. Carl Spandler ist zurzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter an Pettkes Abteilung. Seine Studie erscheint in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals «Nature».


Viel mehr als ein Naturspektakel: Magma enhält wichtige Informationen über chemische Prozesse im Erdinnern. (Bild:istockcom)

Chemische Kommunikation über Diffusion

«Das Magma ist das Endprodukt einer langen Reihe von chemischen Prozessen», erklärt Thomas Pettke. Das glühende Gemisch entsteht im rund 3’000 Kilometer dicken Erdmantel, bewegt sich aus der Tiefe hinauf Richtung Erdoberfläche, wo das Magma schliesslich in sogenannten Magmakammern in 2 bis 20 Kilometern unter der Erde lagert und sich chemisch weiter entwickelt. Beim Wachsen von Olivin-Kristallen, der häufigsten im Erdmantel-Magma enthaltenen Silikatart, wird ein kleinstes Schmelztröpfchen in das Kristallgitter eingeschlossen. Die Wissenschaft ging bislang davon aus, dass dieser Schmelzeinschluss nach seiner Bildung von der Umgebung hermetisch abgeriegelt ist und somit den chemischen Zustand einer Erdschicht in einer klar definierten Tiefe widerspiegelt.

Laborversuche von Dr. Carl Spandler zeigen jedoch, dass die Schmelzeinschlüsse auch nach der Bildung über Diffusion mit der Umgebung «kommunizieren», so Pettke. Ihre chemische Zusammensetzung könne sich sogar innerhalb von Tagen ändern, viel schneller als angenommen. Damit gälten die Einschlüsse nicht mehr als «absolutes Tiefensignal», folgern die Forscher. «Konkret werden diese Ergebnisse unsere Vorstellungen über die chemische Entwicklung und Prozesse im Erdinnern stark beeinflussen. Sie zum Beispiel neue Anhaltspunkte wie Vulkane gefüttert werden», sagt Geologe Pettke.


Unter dem Mikroskop deutlich zu sehen: unzählige Schmelzeinschlüsse im 3 Millimeter grossen Kristall. (Bild:zvg)

Neues Labor in Bern

Das Diffusionsverhalten der Schmelzeinschlüsse analysierte Dr. Carl Spandler mit der neuartigen Analysetechnik der Laser-Ablation: Ein Laserstrahl brennt mit höchster Energie einen Fleck auf die Kristallprobe. Durch Verdunstung wird ein Aerosol des Materials frei, welches sofort über einen Gasstrom ins so genannte Plasma-Massenspektrometer geschleust wird. «Durch die Ionenanalyse können wir selbst kleinste Mengen (Milligramm pro Tonne) fast aller vorhandenen Elemente analysieren», so Thomas Pettke, der im Rahmen seiner SNF-Förderungsprofessur das neue Labor in Bern aufgebaut hat. Mit dieser Technik können nahezu alle Festkörper chemisch analysiert werden. Forschungssschwerpunkte von Pettke und Spandler sind die Analyse von Einschlüssen von Mineralien: «Gundlagenforschung, die – wie wir sehen – von grosser Tragweite sein kann», so Pettke.


Das Laser-Labor der Geologen: Plasma-Massenspektrometer (weiss), angehängt an die Laserapparatur, Bildschirm mit Bild eines Schmelzeinschlusses. (Bild:zvg)

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