Mit dem Talar fällt auch das Klischee
Am Sonntagmorgen auf die Kanzel, am Abend ins Kino. Ist die Predigt zu Ende, führen Pfarrerinnen und Pfarrer ein normales Leben. Theologie-Studentin Monika Clémençon und Uni-Pfarrerin Brigitte Affolter zeigen in einem Fotoband die vielen Gesichter der Berner Pfarrleute.
«Wie kommen Sie darauf, eine Pfarrerin im Badekleid zu fotografieren?» Klar, dass sich genau diese Frage beim Anblick der Bilder aufdrängt – ist es doch eher ungewöhnlich, den eigenen Pfarrer im Freizeitlook zu sehen, da man ihn nur im strengen Talar von der Kanzel kennt. Ebenso klar, dass Monika Clémençon mit ihren Bildern genau diese Reaktion bezweckt: «Ich will Klischees aufzeigen, mit welchen das heutige Pfarrbild behaftet ist.» Die Berner Theologie-Studentin und Fotografin gibt jetzt zusammen mit Brigitte Affolter, der Uni-Pfarrerin vom Reformierten Forum der Uni Bern, einen Bildband heraus, der einen Blick hinter die amtliche Erscheinung von 40 Berner Pfarrleuten gewährt. Und siehe da: In persönlichen Steckbriefen, die zu den Fotografien gestellt sind, erfährt man, dass die Pfarrerin und der Pfarrer «ganz normale Menschen sind», so Clémençon, dass sie etwa gerne Saxophon spielen, Alphorn blasen oder Tonaufnahmen von Autorennen machen. Am Freitag, 30. November, ab 17 Uhr findet im Refomierten Forum die Vernissage statt.
Pfarrerin Elisabeth Tobler – einmal amtlich, einmal privat. (Bilder:Monika Clémençon)
280 Seiten aus dem Berner Pfarrleben
Das Fotobuch «Pfarrbilderbuch und Bilderbuchpfarrer/in» ist nicht nur Endprodukt einer künstlerischen Arbeit, sondern zugleich Startschuss: «In meinem anstehenden Lizentiat nehme ich das Pfarrbild unserer Gesellschaft unter die Lupe», erklärt Clémençon. Naheliegend für die ausgebildete Fotografin, dass die Darstellung der Pfarrleute für ihr Liz zusätzlich zur Studie auch mit der Kamera erfolgen würde: Mit dieser Idee gelangte sie eines Tages an Uni-Pfarrerin Brigitte Affolter, welche die Fotografin dazu anhielt, diese Bilder später im Reformierten Forum auszustellen. «Und irgendwann entstand die Idee von einem Fotoband», erinnert sich Monika Clémençon an die Geburt des 280-seitigen Buches. Aber ganz am Anfang stand eigentlich nur ein Satz – folgende Aussage, die Clémençon einst aufgeschnappt hatte: «Mir hei e nöie Pfarrer übercho, total e lässige - überhoupt kei typische.»
Der Pfarrer als Stereotyp
Wer ist ein Pfarrer eigentlich? Gerade das Berufs- und Menschenbild «Pfarrer» eint viele stereotypische Vorstellungen in sich – wie zum Beispiel das Seminar «Pfarrer und Pfarrerin als Filmfiguren: Klischees, Projektionen und neue Perspektiven» vom Berner Institut für Praktische Theologie zeige: In Filmen werden die Pfarrleute zum Teil als trocken, ernst und verklemmt vermittelt; ausser die katholischen, die hie und da als überzeichnet komisch, durchaus aber als souverän, dargestellt werden. «Ausserdem sind praktisch alle Filmpfarrer Männer – obwohl an der Uni Bern heute knapp mehr Frauen als Männer Theologie studieren.» Mit ihrer Kamera will die Fotografin nun einen unvoreingenommen Blick auf 40 Berner Pfarrerinnen und Pfarrer werfen: Sie knipste je ein Bild in amtlicher Tracht, und eines in selbstgewähltem Outfit: So wird die Pfarrerin gesehen und so sieht sie sich selbst.
Das Wendebuch mit Bild und Text
Unvereingenommen ist auch der Fotoband aufgebaut, verbindet er doch zwei Bücher in einem: Das sogenannte Wendebuch lässt sich von beiden Seiten blättern – von der einen Seite sind die Frauen, von der anderen die Männer dargestellt. Die Fotografien werden von Texten begleitet, welche den Pfarrberuf aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchten. Die Herausgeberinnen gewannen zum Beispiel den Berner Synodalratspräsidenten für einen Beitrag, aber auch eine frischgebackene Theologin, die ihre Gründe darlegt, warum sie sicher nie Pfarrerin werden will. Für Clémençon selber sind sowohl Buch wie Liz ein bisschen Forschung in eigener Sache: «Ein Vorsondieren, ob ich später einmal auf die Kanzel steigen will oder nicht.»