Die Steinesammler von Madagaskar
Sie schauen zurück in die Vergangenheit. Die Berner Geologen schliessen aufgrund der Struktur von gewissen Mineralien auf das Alter eines Gesteins. Im nächsten Monat sammeln sie Proben auf Madagaskar. Die Sommerserie des «uniaktuell» präsentiert Projekte der Uni Bern im Ausland.
Die Insel liegt vor Afrika - und ihre Vergangenheit noch im Dunkeln. Madagaskar wurde erst vor rund 2000 Jahren besiedelt, Überlieferungen gibt es nur wenige. Aber nicht nur die Geschichte der menschlichen Besiedelung, sondern auch das Entstehen der Insel selber wirft noch viele Fragen auf. So erspüren der Berner Geologe Guido Schreurs und sein Team auf der Insel Spuren, die deren Geschichte erzählen können. Noch in diesem Monat fliegt Schreurs erneut für Feldarbeiten nach Antananarivo, der Haupstadt Madagaskars. Das Ziel der Mission, die er zusammen mit der ETH Zürich, dem Naturhistorischen Museum Bern und der Universität von Antananarivo verfolgt: Informationen über ein Gebirge zu finden, das heute als solches nicht mehr existiert.
Die Geologen im Feld: Verrät dieser Stein ein kleines Stück der geologischen Geschichte Madagaskars? (Bilder:zvg)
Bis vor 150 Millionen Jahren war Madagaskar Teil des damaligen Superkontinents Gondwana, auf welchem vor 500 bis 600 Millionen Jahren das 6000 Kilometer lange Ostafrikanische Gebirge entstanden war. Doch Gondwana brach auseinander und die Berge sind heute grösstenteils verschwunden, wegerodiert. Überreste des Gebirges sind auf den ehemaligen Teilen Gondwanas, in Afrika, in der Antarktis, in Indien, auf Sri Lanka und eben auf Madagaskar zu finden.
Spuren von Radioaktivität verraten das Alter
Doch welcher Stein auf der 1500 Kilometer langen Insel birgt konkrete Informationen über diese lang andauernden plattentektonischen Prozesse in Madagaskar? Wie finden die Forscher die Nadel im Heuhaufen? «Wir grenzen die Suche natürlich schon im Voraus ein», erklärt Guido Schreurs. Zum Einen greifen die Wissenschaftler auf bereits existierende geologische Karten zurück, zum Anderen wählen sie mittels Satellitenbildern Schlüsselgebiete aus. «Wir orientieren uns an Falten, Brüchen und anderen Gesteinstrukturen», so Schreurs, also an den Indizien tektonischer Aktivität. Was die Geologen heute an der Erdoberfläche finden, lag früher 20 bis 30 Kilometer im Erdinneren. Aufgrund von Spuren, welche radioaktive Strahlen in bestimmten Mineralkörnern hinterlassen haben, können die Forscher die geologischen Abläufe über Jahrmillionen rekonstruieren: Mit ihren Studien liefern die Berner wichtige Puzzlesteine zum Verständnis der Entwicklung des ehemaligen Ostafrikanischen Gebirges.
Madagaskar – eine Insel, die irgendwann auseinanderbricht.
Irgendwann bricht Madagaskar auseinander
Und die Insel ist auch heute noch in Bewegung; die Forscher untersuchen auch den Vulkanismus auf Madagaskar. «Die heissen Quellen, Erdbeben und jungen Vulkanschlote in Zentralmadagaskar deuten auf eine latente magmatische Aktivität hin», so Schreurs: Aus dem Erdmantel drückt heisses Material in Richtung Erdoberfläche. Die Kruste der Insel dehnt sich langsam und irgendwann wird die Insel gemäss Schreurs auseinanderbrechen. «Madagaskar ist wie ein Feldlabor, in welchem sich verschiedenste plattentektonische Prozesse erkennen lassen», fasst Doktorand Daniel Rufer zusammen.