Video im Theater ist mehr als nur Kino

Eine Leinwand auf der Theaterbühne? Ein neues Buch der Berner Theaterwissenschaften setzt sich mit dem Einsatz moderner Medien im Live-Schauspiel auseinander. Es erscheint rechtzeitig zum 15-jährigen Jubiläum des Instituts.

Von Bettina Jakob 19. September 2007

Ingenieur Faber sitzt auf der Bühne. Die Hauptfigur im Stück nach Max Frisch wirkt klein und schmächtig auf ihrem Stuhl. Fast verschwindet Faber in seiner eigenen Projektion auf der riesengrossen Leinwand. Sind wir nun in einer Theateraufführung oder im Kino? Das moderne Theater – wie hier Stefan Puchers Inszenierung von «Homo faber» – integriert oftmals und gerne mediale Elemente. Fünf Lizentiandinnen der Uni Bern haben die Wirkung von Medien im Theater untersucht. Zum 15-jährigen Jubiläum des Instituts für Theaterwissenschaft erscheinen die Arbeiten nun als Buch unter dem Titel «Theater im Kasten».


Auf der Bühne und auf der Leinwand: Robert Hunger-Bühler in Homo Faber nach Max Frisch. (Foto: Leonard Zubler/zvg)

Video und Theater: Eine vielversprechende Ehe

Was vermag Video im Theater, fragte sich Theaterwissenschaftlerin Silvie von Kaenel in ihrer Diplomarbeit. Sie untersuchte die drei Inszenierungen «Homo faber» nach Max Frisch, «1979» nach Christian Kracht und «Der Meister und Margarita» nach Michail Bulgakov auf die Effekte von Videoprojektion auf Schauspiel und Zuschauer. «Video kann künstlerisch Wertvolles erzeugen», sagt von Kaenel, eine Inszenierung vielfältig beeinflussen. Video und Schaupieler können sich konkurrenzieren oder ergänzen. Kontrastieren oder verschränken. «In guten Inszenierungen spielt die Kombination beider Elemente mit der Wahrnehmung der Zuschauenden», sagt die Theaterwissenschaftlerin und gibt ein Beispiel aus ihrer Studie: Im Stück «1979» rollt ein Mini-Spielzeug-Panzer über die Bühne. Gleichzeitig von einer Videokamera gefilmt und auf die Leinwand übertragen, gleicht das Militärfahrzeug vielmehr einer Aufnahme aus einem realen Kriegsgebiet. Ein solcher Effekt von «Schein und Sein» zum Beispiel entstehe aus der klugen Integration von Videos in das Live-Schaupiel, so von Kaenel.

Das Fazit der Studie: Die Verflechtung von Video mit Bühne schaffe also – gut inszeniert – Vielversprechendes: «Es kann etwas Neues entstehen», so Silvie von Kaenel, «etwas, das weder Theater noch Kino ist». Die Theaterwissenschaftlerin arbeitet als Dramaturgin beim Theater Biel Solothurn.

Vernissage zum Jubiläum: 15 Jahre Theaterwissenschaft

Die Vernissage zum Buch «Theater im Kasten» findet gleichzeitig mit der Jubiläumsveranstaltung des Instituts für Theaterwissenschaften (ITW) am Freitag, 21. September statt. Seit 15 Jahren wird in Bern das Theaterschaffen in der Vergangenheit und Gegenwart erforscht. Das ITW ist klein, aber gut vernetzt: So befinden sich in den grossen Theaterstädten Europas wie Berlin, Paris und Wien Partnerinstitutionen. Die bis heute einzige theaterwissenschaftliche Lehr- und Forschungsstätte der Schweiz widmet sich den Studienschwerpunkten Geschichte, Theorie und Dramaturgie und Aufführungsanalyse. Dem Institut unter dem Leiter Prof. Dr. Andreas Kotte wird reges Interesse entgegengebracht: Die Studierendenzahlen stiegen von anfänglich 66 auf heute 200 Studierende. Im Jahr 2005 und 2007 wurde je eine zusätzliche Assistenzprofessur eingerichtet.

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