Greis rappt ein Haller-Gedicht

Ungleicher könnten sie nicht sein: Der Rapper Greis und der Berner Universalgelehrte Albrecht von Haller. Ein Gedicht jedoch verbindet sie. Greis interpretiert mit einem Lyriker und einem Musiker Hallers «Alpen» neu. Jetzt ist die CD da.

Von Bettina Jakob 17. Juli 2008

Kaum angekommen, da «het er gfluechet, es sig ja ke Platz meh frei». Aber das sei gut, «de schiess es Foto, de chöimer wieder hei». So kurz und schmerzlos ist die Erinnerung des Berner Rappers Greis an einen Ausflug in die Alpen «mit em Père». Ganz anders als Albrecht von Haller einst die Bergwelt sah. In seinem berühmten Gedicht «Die Alpen» betete der Universalgelehrte die Bergwelt geradezu an. Die 49 hymne-ähnlichen Strophen aus dem Jahre 1729 dienten Greis, dem Lyriker Guy Krneta und dem Musiker Jakob Apfelböck alias Ueli Kappeler als Ausgangstext für ihren literarischen Rap «Umgekehrti Täler».


Hallers Alpen-Gedicht in modernster Form: (v.l.) Mit Greis, Ueli Kappeler und Guy Krneta. (Bild:zvg)

Grosser Erfolg an Museumsnacht

Diese ungewöhnliche, eigensinnige Neuinterpretation von Hallers Poesie hat Christine Eggenberg in Auftrag gegeben: Die Direktorin der Kornhausbibliotheken wollte zum Haller-Jubiläumsjahr und zur Berner Museumsnacht etwas besonderes auf die Beine stellen. Was gelungen ist: An der Museumsnacht lauschten rund 1500 Personen den wilden Worten und Musik des Trios. Und heute liegt eine 20-minütige CD zum Verkauf bereit.  

Von der Hymne zur Politik

«Unglaublich», kommentiert Christine Eggenberg die umgekehrten Täler der drei Künstler. Krnetas Passagen erklingen tatsächlich in der originalen Versform, in Alexandrinern mit Jamben. Die Aufgabe, das Haller-Gedicht an die heutige Zeit zu adaptieren, sei ebenfalls gut gelöst: «Beide Texter bringen die Politik hinein, die nun in der Naturthematik an erster Stelle steht.» Hallers unbefleckte Alpen, wo «der Strahl der Gipfel Schnee vergüldet», die gibt es für Krneta bestenfalls noch in Krigistan. Denn hier, «we dr weit elei si ufeme Gipfu obe, schtöt dr zersch a, äng zämepfercht ar Gondubahn».

Mit Blick über die Grosse Schanze zu den Bergen: Das Haller-Denkmal vor der Uni Bern. (Bild: Hannes Saxer/zvg)

Der Alpen-Mythos

Doch auch Albrecht von Hallers Alpen-Blick öffnete seinerzeit eine neue Perspektive: «Vor dem Barock wurden die Berge und das Meer vielmehr als Bedrohung dargestellt, als etwa ihre Schönheit beschrieben», erklärt Christine Eggenberg. Der Universalgelehrte, dessen 300. Geburtstag heuer in Bern gefeiert wird, «entmythisierte das unheimliche Bild», so die Bibliothekenleiterin. Die Natur wurde zu einem neuen Begriff. Wie auch mit «Umgekehrti Täler» abermals ein neuer entsteht.