Die Adoptivkinder haben die besten Chancen

Das Rebhuhn ist in der Deutschschweiz längst ausgestorben. Um es erfolgreich wiederanzusiedeln, müssen viele Faktoren stimmen. Populationsbiologen der Uni Bern haben nun herausgefunden, welche Tiere sich am besten in freier Natur durchsetzen können.

Von Bettina Jakob 03. Juni 2008

Zuerst sah alles ganz vielversprechend aus, doch dann kam der grosse Schnee  – und raffte beinahe die ganze Population dahin: Die Wiederansiedlung des Rebhuhns in der Deutschschweiz war stark gefährdet, wie die Schweizerische Vogelwarte resigniert mitteilte. Heute, drei Jahre nach jenem strengen Winter, leben im schaffhausischen Klettgau nur noch rund fünf Brutpaare. Ausgestorben war das Rebhuhn aufgrund der intensivierten Landwirtschaft, welche das Brut- und Nahrungsangebot für den Flurbewohner massiv verschlechtert hatte.

Rebhuhn mit Jungen im Nest
Wichtig für Wiederansiedlung des Rebhuhns ist nicht nur die Überlebensrate, sondern auch der Bruterfolg. Bilder: Markus Jenny/Zvg

Doch der bisherige Wiederansiedlungsversuch von Rebhühnern hat wichtige Erkenntnisse für die Zukunft gebracht, meint der Berner Populationsbiologe Michael Schaub. In seiner neusten Publikation bewertet er den Erfolg von unterschiedlichen Aussetzungsmethoden und kommt zum Schluss: Die besten Überlebenschancen haben junge Zuchtküken, die den erfolglos brütenden Wildtier-Paaren ins Nest geschmuggelt werden.

Unterschiedliche Rebhuhn-Gruppen getestet

Die Rebhühner, die im ökologisch aufgewerteten Gebiet angesiedelt wurden, waren unterschiedlichen Ursprungs: In der einen Gruppe befanden sich erwachsene Wildvögel aus der tschechischen Republik, in der zweiten Zuchthühner, die in grösseren Verbänden freigelassen wurden und die dritte Gruppe bildeten 6 bis 8 Wochen alte Zuchttiere, die freilebenden Rebhühnern zur Adoption übergeben wurden. Die bereits heimischen wilden Rebhühner im Klettgau wurden als Kontrollgruppe beobachtet. Das Monitoring umfasste insgesamt 197 Tiere.

Die Biologen überwachten die ausgesetzten Rebhühner über die Versuchsdauer von drei Jahren mittels Telemetrie: Die Tiere wurden am Rücken mit einem Sender bestückt, über Funk liessen sich damit Aufenthaltsort und Raumnutzung bestimmen. Die Überlebensraten der Rebhühner wurden mit der so genannten Fang-Wiederfang-Methode geschätzt. Das mathematische Modell beruht auf den Wahrscheinlichkeiten, dass ein Tier in der Wildnis unter der Berücksichtigung von möglichen Gefahrenfaktoren überlebt und dass es bei stichprobeartigen Wiederfängen auch wieder gesichtet wird. «Aus diesen Angaben lassen sich Überlebens- und Mortalitätsraten einer Population berechnen», erklärt Michael Schaub.
 

Wiese mit blühenden Blumen im Klettgau
Das Kulturland im Klettgau wurde ökologisch aufgewertet und bietet dem Rebhuhn einen günstigen Lebensraum.

Erwachsene Zuchttiere ohne Chance

Am besten überlebt haben den Wiederansiedlungsversuch erwartungsgemäss die wildlebenden Rebhühner aus der Kontrollgruppe. «Sie sind an das Leben in der Wildnis angepasst und kennen die Umgebung», erklärt Schaub den Erfolg. Die zweitbeste Überlebensrate erreichten die adoptierten Zuchtküken, die im Frühjahr wildlebenden Paaren ins Nest gelegt wurden. Auch hier erklärt der Biologie das Resultat mit der Adaption an die Umwelt, lernen doch die Jungen von ihren Adoptiveltern die Nahrungssuche und das Verhalten gegenüber Feinden und anderen Gefahren. Die ausgesetzten adulten, wildlebenden Rebhühner aus dem Osten kannten die hiesigen Gegebenheiten nicht – und hatten eine höhere Sterblichkeit als die Zuchtküken.

Die schlechtesten Voraussetzungen hatten die erwachsenen Zuchthühner: «Die Tiere aus der Volierenhaltung hatten nie gelernt, sich in freier Laufbahn zu bewegen und sich vor möglichen Feinden zu verstecken», so Schaub. Für die Haupttodesursache der Rebhühner sind die natürlichen Feinde verantwortlich und diese sind zahlreich: Fuchs, Dachs, Marder, Katzen, Rabenvögel, Habicht und Sperber.

Wichtig ist auch der Bruterfolg

Doch diese Erkenntnisse reichen nicht aus, um künftigen Wiederansiedlungsversuchen sicheren Erfolg zu versprechen: «Unsere Studie beschäftigt sich lediglich mit der Überlebensrate der Rebhühner», so Biologe Schaub. Um den Fortbestand einer Population zu sichern, müssen die Tiere auch erfolgreich brüten: Mindestens die Hälfte der Brutpaare muss Nachwuchs zeugen – und dazu brauchen die Tiere grosse, aufgewertete Gebiete. Mitbestimmend sind auch Faktoren wie die Dichte der Räuber und die Störung durch Erholungssuchende.

Aus dem gescheiterten Versuch geht hervor, dass die Versuchsfläche noch zu klein und immer noch zuwenig aufgewertet war, und die Verluste durch Beutefang zu gross: «Rebhuhnpopulationen unterliegen starken Schwankungen», so Schaub. Ein Rebhuhn kann bis zu 15 Küken im Jahr ausbrüten, die Mortalitätsrate ist jedoch sehr hoch. «Eine Population kann nur überleben, wenn der Bestand selbst in schlechten Zeiten genügend gross ist», so Schaub. Sonst kann die Population die Widrigkeiten der Natur nicht «abfedern». Der Bestand wird auf einen Schlag extrem reduziert oder stirbt gar aus – wie im Klettgau, im Winter 2006.