Dies academicus 2008: Eigentlich wollen alle eine starke Uni
Eine für alle, alle für eine: Fast so erklang der Tenor an der 174. Stiftungsfeier der Uni Bern. Unileitung, Mittelbau, Forschende und Kanton wünschen sich eine Top-Uni. Nicht alle wollen jedoch den gleichen Weg zu dieser einschlagen.
Im Glanzlicht im Casino-Saal standen die guten Nachrichten zuerst auf dem Programm. Die Aufzählung durch Uni-Rektor Urs Würgler hörte an der 174. Stiftungsfeier fast nicht auf: Die Studi-Zahlen gehen nach oben, der Anteil an ausländischen Masterstudierenden steigt, neue «Graduate Schools» fördern den Nachwuchs, immer mehr Drittmittel werden erworben und auch bei Privaten kommt die Uni Bern an, «wie etwa die vielen Partner der Uni Bern für das 175-Jahr-Jubiläum im nächsten Jahr zeigen», so Würgler. Ebenso die neuen Stiftungsprofessuren wie die der Abegg-Stiftung im Bereich der textilen Künste oder diejenige der Mobiliar im Bereich Klimafolgenforschung in den Alpen.

Zwischen Ehrenbekundungen kamen auch Mittelbau, Politik und Forschung zu Wort (Bilder: Manu Friederich)
Und dennoch mangelt es der Uni Bern offenbar an Geld – das ist die schlechte Nachricht: «Der Konkurrenzkampf um die besten Professorinnen und Professoren bei den Neuberufungen ist gross. Es kommt vermehrt vor, dass die Universität Bern mit den Angeboten anderer Universitäten nicht mithalten kann», bedauerte der Rektor in seiner Rede. Ausserdem hielt Würgler fest, dass in Sachen Autonomie Klärungsbedarf bestehe; ein behördliches Mikromanagment führe nicht zum Ziel, wandte sich Würgler an den Kanton. Er hofft auf eine «konsequente Verbesserung der Rahmenbedingungen und eine Akzeptanz der Mission einer Uni»: Eine Universität dürfe sich nie nur mit wirtschaftlich Verwertbarem befassen; ihre Leistung bestehe in erster Linie in der freien und kreativen Grundlagenforschung.
Der Mittelbau will mehr Freiheit
Mit ihren mahnenden Worten schlug Eliane Müller, Professorin für Tierpathologie und Vorstandsmitglied der Mittelbauvereinigung, in die gleiche Kerbe: Hochstehende Leistungen seien nur in einem optimalen Umfeld zu erbringen. Zu diesem Umfeld passe aber nicht, dass die Privatwirtschaft Mitarbeitende abwerbe, weil die Uni bei der Entlöhung nicht mithalten könne. Um darauf zu reagieren, «wünschen wir uns eine flexiblere Personalpolitik», stellte Müller im Namen der rund 2300 Mittelbau-Angestellten der Uni Bern klar. Auch mehr Autonomie in den Kernkompetenzen ist gefragt: Der Mittelbau habe eine fast 175-jährige Erfahrung in Lehre, Forschung, im Schreiben von Anträgen, Gelder aquirieren, Kooperationen einfädeln, Technologien transferieren. «Vertrauen Sie uns, Herr und Frau Politiker. Geben sie uns die Mittel und fordern Sie Qualität auf allen Stufen.» Denn, so Müller klipp und klar: «Keine Kuh kann gemolken werden, wenn sie nicht vorher gefüttert wird.»

Der Kanton sieht eine klare Aufgabenteilung
«Es ist mir bewusst: Mittelfristig brauchen wir wohl mehr Mittel für die Universität», sagte der Erziehungsdirektor des Kantons Bern, Bernhard Pulver am Dies academicus. Die Zahl der Studierenden habe enorm zugenommen, die Mittel hätten nicht mitgehalten. Für den Regierungsrat ist klar: «Wir wollen in Bern eine starke Universität – für die Bildung der Bevölkerung und für den Wirtschaftstandort.» Dazu braucht es kompetente Lehrende und Forschende, einen starken Mittelbau und motivierte Studierende – und ein Qualitätsmanagement, um die Qualität der Leistungen sicherzustellen. In diesem Bereich sieht Pulver noch Arbeit anstehen.
Er sieht aber auch folgendes: «Die Uni muss Freiräume haben, um im rasch wandelnden Umfeld ihren Platz einzunehmen.» Klar sei aber, dass die strategischen und operativen Aufgaben getrennt sein müssten. «Der Kanton ist der Träger, und soll deshalb auch die strategischen Vorgaben machen.» Jede Ebene solle den Bereich steuern, in welchem sie kompetent ist. Gewisse finanzielle Kompetenzen habe er ja bereits an die Uni übertragen. Pulver hielt aber fest: Die institutionelle Autonomie werde seit drei Jahren «intensiv überprüft». Mit der Revision des Universitätsgesetztes sei man «unterwegs». Pulver geht davon aus, dass der Entwurf bis im nächsten Sommer in die Vernehmlassung geht.
Forschung: Viel Physik – für Bern und die Welt
In seiner Akademischen Rede entführte Jean-Pierre Derendinger, Professor für Theoretische Physik an der Uni Bern, das Publikum in die Welt der Kleinstteilchen, welche grosse Fragen beantworten sollen: Dazu erläuterte Derendinger Ziel und Zweck des gigantischen physikalischen Experiments, das kürzlich am CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung, gestartet wurde. Mit dem weltweit grössten Teilchen-Beschleuniger und vier riesigen Detektor-Maschinen will die internationale Forschergilde mehr über den Zustand erfahren, der beim Urknall vorgeherrscht hatte. Die neuen, noch kleineren Teilchen sollen theoretische Modelle der Physik endlich bestätigen – oder widerlegen.
Mit dabei, an vorderster Front, sind Berner Forschende vom Labor für Hochenergie-Physik der Uni Bern. Sie stehen stellvertretend für den Erfolg der Berner Physiker: Die Physik ist eine Disziplin, in der die Universität Bern national und international eine dominante Rolle einnimmt. «Die Theoretische Physik in Bern ist sogar die stärkste der Schweiz», sagte Jean-Pierre Derendinger. Um ebendiese Position zu stärken, legten die Unis Bern und Neuenburg ihre Forschungsgruppen in Experimenteller und Theoretischer Teilchenphysik im Sommer dieses Jahres zusammen. Die Schweizerische Universitätskonferenz (SUK) unterstützt diese Zusammenlegung der drei Professuren über drei Jahre mit 6 Millionen Franken. Somit sei dieses Jahr ein besonderes für die Physik, meinte Derendinger, sowohl für die Welt wie auch für Bern.