Holland verleiht Bern Flügel
Lange herbei gesehnt und in einem rasanten Tempo vorbeigezogen, die Euro 2008. Hat sie der Schweiz wirtschaftliche Vorteile gebracht? Ja, sagt eine Studie, bei welcher die Universität Bern involviert ist.
Während drei Wochen befand sich Bern in einem Ausnahmezustand, war in ein oranges Farbenmeer getaucht. Nach dem Schlusspfiff hat der Alltag die Hauptstadt wieder. Was bleibt nun ausser den Erinnerungen? Das Institut für Freizeit und Tourismus der Universität Bern untersucht im Auftrag des Bundesamtes für Sport die Effekte der Uefa Euro 2008 auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in der Schweiz. Erfasst werden unter anderem die direkt und indirekt ausgelösten Umsätze sowie die dadurch entstehende Wertschöpfung und Beschäftigung. Abschliessende Ergebnisse liegen noch nicht vor, aber Tendenzen sind zu erkennen.

Orange soweit das Auge reicht: Das war die Euro 08 in Bern. (Bild: Julia Gnägi/zvg)
Die Euro 2008 – eine positive Bilanz
Die Europameisterschaft 2008 ist der grösste jemals in der Schweiz durchgeführte Sportanlass. «Unterschiedliche Branchen können von diesem Ereignis profitieren», sagt Christian Moesch vom Institut für Freizeit und Tourismus. «Das Optimum wurde allerdings bei der Euro 2008 nicht erreicht, trotzdem sind die Verantwortlichen mehrheitlich zufrieden», fasst Moesch das Echo zusammen. Vor allem der Lebensmittelsektor und die Gastronomie in den Innenstädten erwirtschafteten zusätzliche Umsätze. Die Stadien in den Austragungsorten waren voll, aber die «Public Viewing» Zonen in den ersten Wochen wegen schlechtem Wetter nur mässig besucht. «Das Angebot war gross, fast zu gross, denn die gewünschte Fussball-Euphorie bei der Schweizer Bevölkerung konnte leider nicht ausgelöst werden», betont Moesch. Das frühe Ausscheiden der Schweizer Nationalmannschaft trug auch dazu bei. «Obwohl die hohen Erwartungen an die Besucherzahlen nicht ganz erfüllt wurden, fällt die Bilanz bezüglich der Ökonomie insgesamt positiv aus», fügt Moesch hinzu.
Bern übertrumpft Basel
Die genauen Berechungen der wirtschaftlichen Effekte der Euro 2008 für die Schweiz sind noch voll im Gange. Dabei ist zu erwähnen, dass Bern während der Vorrunde die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer in den Fanzonen verbuchte – dies steht im Gegensatz zur Annahme der Forschenden, Basel würde dabei den ersten Platz belegen. «In der Hauptstadt lagen die Fanzonen kompakt beieinander und zudem direkt am Weg vom Bahnhof zum Stadion. Die öffentlichen Verkehrsmittel funktionierten tadellos, man war schnell im Stadion sowie in der Unterkunft», begründet Christian Moesch das gute Abschneiden Berns. Vor allem an den Spieltagen profitierte die Aarestadt von dem beeindruckenden Aufmarsch der Holländer. Mit den Viertel- und Halbfinalspielen konnte Basel den Rückstand in Bezug auf die Zuschauerzahl aber wieder aufholen. Zum Beispiel beim Spiel Deutschland-Türkei fieberten rund 50'000 Zuschauer in den Fanzonen mit ihrer Mannschaft mit.

Die Holländer sorgten für volle Kassen in den Beizen. (Bild: Britta Schaller/zvg)
Hilfreich für zukünftige Grossanlässe
Die Fussball Europameisterschaft hat gemäss Moesch Innovationen und Impulse für die Schweizer Wirtschaft gebracht. Beispielsweise in der Medientechnik hat man erstmal die Laufwege und -geschwindigkeit der Spieler berechnen können. Gleichzeitig haben «Public Viewing» und UBS-Arenen neue Erkenntnisse gebracht, die eine gute Vorbereitung für zukünftige Anlässe darstellen. Auch die Sicherheit war dank der guten Vorbereitung tadellos gewährleistet. Die Reaktionen der Sicherheitskräfte waren ausgezeichnet, etwa als die orange Menschenmasse während der Hollandspiele Bern beinahe zum Platzen brachten. Doch mit einer zusätzlich eingerichteten Fanzone beim Kornhausplatz konnten die Zuschauer ohne Zwischenfälle die Übertragungen verfolgen.
«Bei solchen Grossanlässen gibt es aber auch immer Verlierer», sagt Moesch. So einzelne Unternehmen und Hotels in Aussenbezirken, die während der Spiele nur wenig Umsätze gemacht haben, beispielsweise Standbesitzer in den Fanzonen von Zürich oder Genf: Die Betroffenen haben hohe Standmieten bezahlt und mussten wegen zu geringer Nachfrage nach Döner und Hotdogs ihre Stände schliessen.
Längerfristige Effekte der Euro
Die Euro 2008 hat als Veranstaltung öffentliche Güter produziert: Erlebnisse, kollektive Begeisterung, Image. Diese Form von öffentlichem Konsum kann auch für die Volkswirtschaft relevant sein und zum individuellen Wohlstand beitragen, so eine Annahme der Berner Studie. Eine ähnliche Studie zur Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland hat gezeigt, dass sich das Image der Deutschen zwar während einem Jahr verbessert hat, aber danach die alten Vorurteile wiedergekehrt sind. «Das Image eines Landes ist zäh», begründet Christian Moesch, «aber man kann in dieser Hinsicht positive Akzente setzen, beispielsweise mit Gastfreundlichkeit.»
In naher Zukunft werden weitere Befragungen in der Schweizer Bevölkerung durchgeführt, um ein Feedback zu erhalten. Ebenso sollen in Frankreich und Deutschland wiederholte Befragungen aufzeigen, wie und ob sich das Image der Schweiz im Ausland nun verändert hat. Eine gute Ausgangslage für die positive Präsentation der Schweiz im Ausland, haben laut Moesch die rund 9000 ausländischen Journalisten, die über diesen Grossanlass berichtet haben, geschaffen. Waren die ausländischen Besucher mit ihrem Aufenthalt zufrieden – wie etwas die Oranjes – werden sie die Schweiz als attraktives Ferienland weiterempfehlen. Das kann den Tourismus ankurbeln und entspräche einer nachhaltig positiven Wirkung der Euro 2008 für die Schweiz.