Frauen kicken wie Beckham

Auch Frauen können dribbeln und göttliche Flanken treten. Doch Fussballerinnen – und Athletinnen männerdominierter Sportarten –müssen sich gegen wildeste Vorurteile durchboxen, wie Genderforscherin Marianne Meier an einem Vortrag des «Collegium generale» in Bern ausführte.

Von Bettina Jakob 14. März 2008

«Wo Fussballschuhe vor einer Haustür stehen, muss noch lange nicht ein Mann wohnen.» Mit diesem Satz hat Marianne Meier die Frage des Abends – «Ist Fussball männlich oder weiblich?» – bereits beantwortet. Völlig klar, dass auch Frauen Fussball spielen; in der Schweiz sind über 20'000 lizenzierte Spielerinnen registriert. Dennoch ist diese Sportart immer noch eine Männerdomäne, wie die folgende gebräuchliche Terminologie bestätigt: Kickende Frauen werden immer noch als Frauenfussballerinnen bezeichnet. Eine unnötige Verdoppelung, wie die Historikerin von der «Swiss Academy for Development» im Rahmen der Vorlesungsreihe des «Collegium generale» zur Euro 08 ausführte. Spreche man doch auch nicht von Frauenschwimmerinnen. «Fussballschuhe passen anatomisch nicht besser an Männerfüsse, genauso wenig wie die Frauenhand für ein Bügeleisen geformt ist.» 

Fussballerin tritt eine Flanke
Frauen auf der Torjagd: Fussball ist längst kein Männersport mehr. Bild: istock

Die Frage der (männlichen) Ästhetik

Die Männlichkeit des Fussballs ist eine Stereotypisierung, welche in der Geschichte des Sports liegt: Sportliche Ertüchtigung der Frauen war – und ist vielerorts noch – verpönt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Fahrradfahrerinnen in England mit Steinen beworfen, und Olympia-Vater Pierre de Coubertin lehnte eine Frauenbeteiligung an den ersten Olympischen Spielen von 1912 entschieden ab: «Une olympiade femelle serait inintéressante, inesthéthique et incorrecte.» Unbeeindruckt von den Attributen «uninteressant, unästhetische, inkorrekt» lancierten die Sportlerinnen kurz darauf ihre eigenen Wettspiele. Das rege Medieninteresse an diesem Anlass veranlasste gemäss Meier «aus Kontroll- und Konkurrenzüberlegungen» das Internationale Olympische Komitee schliesslich dazu, Athletinnen künftig an den Spielen teilnehmen zu lassen: 1928 griffen auch Leichtathletinnen nach dem Olymp, nach und nach folgten andere Disziplinen wie Volleyball, Handball, Radfahren, Tennis – und erst 1996 der Fussball.

Otto Rehagels bestürzende Aussage

Gerade Fussballerinnen mussten (und müssen) sich durch die patriarchalischen Gesellschaftnormen boxen, um anerkannt zu werden. Zu «roh und aggressiv» werde um das runde Leder gekämpft, als dass dieses Spiel zu den in den meisten Kulturkreisen erwarteten weiblichen Eigenschaften – zart, geschmeidig, zurückhaltend, bescheiden – passen würde, so Genderforscherin Marianne Meier. In den rüden Worten des Meistertrainers aus Deutschland, Otto Rehagels: «Frauen sind grazile Wesen. Kunstturnerinnen finde ich schön. Aber Mädchen, die wie Brauereipferde auf Fussballfeldern rumstapfen – da hört doch alles auf.» Während Beckham & Co als Popikonen angehimmelt werden, gelten Fussballerinnen immer noch als Mannsweiber oder Lesben, denen oftmals das Vorurteil der Unweiblichkeit angehängt werde, so Meier.

«Solche Tritte unter die Gürtellinie entstehen oftmals, wenn Gesellschaftsnormen aufgebrochen werden», erklärt Marianne Meier: Aus plötzlichen Unsicherheiten erwächst die Angst vor Kontrollverlust, aus welcher Diskriminierung und schlimmstenfalls Phobien – etwa die Homophobie – entstehen können. «Die Folge sind Diffamierungen» so Meier. In der Vergangenheit so oft geschehen, als Frauen in Männerbastionen vordrangen: in die Politik, ins Militär und in den Sport.

Die wichtige Anmerkung zum Schluss: Normen verändern sich dauernd und sind nicht überall dieselben, hielt Meier fest. Wie auch Fussball nicht überall Männer dominiert ist: «In den USA kicken vor allem Frauen den Ball», so Meier. Männer, die kicken, gälten als «Warmduscher».
 

Marianne Meier

bj. Marianne Meier ist Historikerin und Politikwissenschaflterin. Für ihre Buch «Zarte Füsschen am harten Leder – Frauenfussball in der Schweiz 1970-1999» (2004) erhielt sie den Peis für Frauen- und Genderforschung der Universität Freiburg. Bei der «Swiss Academy for Development» beschäftigt sie sich mit Sport, Gender und Entwicklung. Die Projekte untersuchen das Potenzial des Sports in der Entwicklungszusammenarbeit aufgrund von Studien und eigenen Pilotprojekten mit lokalen Partnern, zum Beispiel im Libanon, in Sri Lanka und in Afrika. Marianne Meier spielt seit mehreren Jahren Fussball.