Durch Hallers (G)Arten wandeln
Die neue Ausstellung im Botanischen Garten schlägt den Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart: Der Universalgelehrte Albrecht von Haller erforschte die Pflanzen – ihre Vielfalt, aber auch ihre optimale Nutzung. Heuer feiert von Haller seinen 300. Geburtstag.
Erstaunlich, exotisch, ja gar verschwenderisch erscheint diese Tatsache aus dem 18. Jahrhundert: Auf den Futterwiesen der damaligen Zeit gediehen nicht nur Klee und Gräser, sondern auch schönblütige Orchideen. Die Königin der Blumen war unter den insgesamt 35 Arten einer Wiese mit drei Spezies vertreten – und schmückte den Futtertrog des Viehs. Heutzutage wachsen Orchideen eher im Treibhaus, und in den Dauerwiesen sind noch gerade sieben Pflanzenarten zu finden: Die Wiesen sind weniger divers, dafür ertrags- und nährstoffreicher. Die soeben eröffnete Ausstellung des Botanischen Gartens der Universität Bern – «Hallers (G)Arten» – rückt anschaulich, in tatsächlich angesäten Vergleichswiesen «das Thema der Biodiversität und die ökonomische Optimierung von Pflanzenressourcen» ins Licht, wie Mitorganisatorin und Botanikerin Sabine Tschäppeler an der Medienkonferenz ausführte. Zwei getrennte Themen, die jedoch vor 250 Jahren ein Mann in sich zu vereinen vermochte: der Universalgelehrte Albrecht von Haller.

Die Posten der Ausstellung sind mit kolorierten, historischen Zeichnungen illustriert. (Bild:zvg/Sabine Tschäppeler)
Der Arzt, Dichter und Botaniker widmete seine Studien nämlich sowohl der Erforschung und der Beschreibung der Pflanzenvielfalt als auch der möglichen Ertragssteigerung landwirtschaftlicher Rohstoffe. «Albrecht von Haller war diesbezüglich eine paradoxe Figur», so Martin Stuber, Mitorganisator der Ausstellung und Historiker an der Uni Bern. Mit diesen Themen schlagen die Verantwortlichen den Bogen vom historischen Anlass der Ausstellung, nämlich Hallers 300. Geburtstag, zu ökologischen und ökonomischen Fragen der modernen Gesellschaft.
12 Posten – 12 Themen
An zwölf Posten erfahren die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher Hintergründe über von Hallers wissenschaftliche Tätigkeit – etwa über die gründlich erforschte Alpenflora, über seinen gemischten «Schweizer Tee», den er als Medizin verschrieb, über die Esparsette als wichtige Pflanze der Agrarmodernisierung. Illustriert werden die Leitthemen anhand einer Schlüsselpflanze – historische Zeichnungen, die in sanften Farben koloriert wurden.

Von Haller zurück in Bern – das Ölgemälde zeigt ihn als Rathausammann. (Bild: Burgerbibliothek)
Das erste Florenwerk der Schweiz
Albrecht von Haller war ein herausragender Botaniker seiner Zeit: Er beschrieb mehrere hundert Pflanzenarten als erster und veröffentlichte das erste Schweizerische Florenwerk überhaupt – jedoch nicht in seiner Heimat: Als Dreissigjähriger wurde der gebürtige Berner an die Uni Göttingen berufen, wo er einen Botanischen Garten gründete; «der Boga Bern wurde von von Hallers gleichnamigen jüngsten Sohn, zusammen mit Jakob Samuel Wyttenbach, Pfarrer an der Heiliggeistkirche und dem Apotheker Morell ins Leben gerufen», erzählt der Dritte aus dem Projektteam, Botaniker Luc Lienhard. Die «Schweizerkrankheit», das Heinweh, führte den Universalgelehrten später jedoch wieder in die Aarestadt zurück. (siehe Kasten).
Von Haller näherte sich der Pflanzenwelt aber nicht nur mit dem Forscherauge, sondern auch mit seinem dichterischen Geschick: Mit «Die Alpen» schuf er ein epochales Gedicht, das als Reclam-Heftchen zu kaufen ist. Etwa im Haller-Shop des Botanischen Gartens: Im modernen Automaten warten historische begründete Andenken auf Kundschaft: Haller-Tee, Haller-Karten, Haller-Salz.