Mehr Mitgefühl im Management

Die Vorstellung des dominanten, kommandierenden Managers ist überholt: Die Kaderwelt selbst betont, dass erfolgreiche Führungskräfte auch Eigenschaften besitzen müssen, die vor allem Frauen zugesprochen werden: Mitgefühl und Kommunikationsfähigkeit. Die Realität hinkt diesem Wunsch hinterher, wie Studien der Uni Bern zeigen.

Von Bettina Jakob 22. April 2008

Unser Angebot: Vorbereitung auf eine erfolgreiche Karriere als Führungsperson. Ihr Profil: Unternehmerisches Gespür, Verhandlungsgeschick, analytisches Denken und Entschlossenheit. Dieses Stelleninserat – im Experiment natürlich ausführlicher gestaltet – wurde mit einem Porträtfoto illustriert. Janine Bosak, Sozialpsychologin an der Uni Bern, legte diese Anzeige für eine Führungsnachwuchsstelle rund 180 Wirtschaftstudierenden vor – teils mit einem Männerporträt, teils mit einem Frauengesicht und teils mit Bildern beider Geschlechter. Die Forscherin wollte herausfinden, wie passend sich die Männer und Frauen für die angebotene Stelle einstufen, und ob diese Selbsteinschätzung bei wechselnden Fotos variiert. Erstaunliches kam heraus: Am wenigsten passend beurteilten sich sowohl Mann wie Frau, wenn ein Männergesicht das Inserat ergänzt. Am geeignetsten fühlten sich beide Geschlechter, wenn auch beide abgebildet waren.

Stelleninserat mit Abbildung eines Portraits beider Geschlechter
Sind Frau und Mann abgebildet, fühlen sich am meisten Testpersonen für den Job geeignet. Bilder: Zvg

Gilt das «Think manager, think male»-Prinzip noch?

«Das Stelleninserat mit beiden Gesichtern eröffnet Frauen und Männern am meisten Möglichkeiten», erklärt Janine Bosak die positive Reaktion der Studierenden auf diese Inseratenvariante. Warum sich aber die männlichen Studierenden von der Anzeige mit Männerbild weniger angesprochen fühlten, kann die Sozialpsychologin nur vermuten: Sowohl Männer wie Frauen reagierten wohl zurückhaltender, weil sie befürchteten, dass mit der männlich angepriesenen Stelle härtere Bedingungen und Konkurrenzdruck verknüpft wären.

Sind denn die Männer «härter im Nehmen» als Frauen und passen daher besser in den Chefsessel? Ist die heutige Kaderwelt immer noch geprägt vom «Think manager, think male»-Prinzip, welches vor allem die männlich typisierten Fähigkeiten preist, die dem anspruchsvollen Top-Job gerecht werden? Im Gegenteil: Neuere Führungstheorien rücken die Bedeutsamkeit weiblich typisierter Charakteristika in den Vordergrund. Als sehr effektiver Führungsstil habe sich nämlich derjenige herauskristallisiert, der die so genannten aufgabenorientierten Kompetenzen mit den personenorientierten verbinde, so Janine Bosak. «Die ‹aufgabenorientierten Kompetenzen› – wie Durchsetzungsvermögen, Dominanz, Kompetitivität – werden jedoch weiterhin vor allem Männern zugeschrieben, die ‹personenorientierten Kompetenzen› – Mitgefühl, Toleranz, Kommunikationsfähigkeit – den Frauen», erklärt Bosak. Die Gründe für diesen Gesinnungswandel auf der Manageretage liefert die sich verändernde Arbeitswelt: Der Wettbewerb ist härter geworden, die Hierarchien sind flacher, die Bedeutung von Teamarbeit hat zugenommen und die Kundenorientierung ist gestiegen. «Diese Tendenzen verlangen breitere Kompetenzen», sagt Bosak. 

 

Stelleninserat mit Portrait eines Mannes
Illustriert nur ein Männergesicht das Inserat, fühlen sich selbst männliche Kandidaten weniger für den Job geeignet.

Nur 7 Prozent Frauen in den Top-Jobs

Doch die Realität hinkt dieser Wunschvorstellung hinterher: In Top-Jobs, wie CEO oder Verwaltungsrat, sind nach wie vor hauptsächlich Männer zu finden, so Bosak; beispielsweise sitzen in Deutschland sitzen nur knapp 7 Prozent Frauen in der obersten Etage. Für die Berner Psychologin ist diese Tatsache nachvollziehbar: «Bis kognitive Konzepte umgesetzt werden, bedarf es einer gewissen Zeit.» Noch immer werden mit Führungskräften hauptsächlich aufgabenorientierte Eigenschaften assoziiert, wie eine andere Studie Bosaks deutlich zeigt: Wirtschaftsstudierende attestieren den Managern zu 64 Prozent entsprechende Fähigkeiten – obwohl aufgabenorientierte und personenorientierte Eigenschaften gleichermassen als wichtig eingestuft wurden.

Ein interessantes Details dieser Resultate: Sich selber schrieben die Testpersonen, die künftigen Unternehmensleader also, mehr personen- und aufgabenorientierte Züge zu als den heutigen Managern. Diesen Befund erklärt die Sozialpsychologin wie folgt: «Menschen bewerten sich selbst und andere grundsätzlich in einer Weise, die ihren eigenen Zielen am besten dient.»

Frauen schätzen sich weniger geeignet ein

Werden künftig CEOs mehr personenorienterte Eigenschaften aufweisen? Aktuelle Erkenntnisse legen gemäss Bosak nahe, dass sich eher die Frauen verändern, indem sie sich die «männlichen» Charakteristika zulegen, als dass die Männer von ihrem gewohnten Kurs abweichen. Trotz dieser Tendenz schätzen sich weibliche Anwärterinnen auf eine Managementstelle jedoch noch immer als weniger geeignet ein als gleichqualifizierte Männer. Zu dieser Hürde in der Selbstwahrnehmung der Frauen kommt gleich die nächste hinzu: «Die Frauen, die sich nach oben durchschlagen, müssen eine gute Balance zwischen maskulinem und femininem Auftreten halten», sagt Sozialpsychologin Bosak. Sonst werden sie negativ wahrgenommen  und bewertet. «Etwa wie seinerzeit Margret Thatcher, die eiserne Lady.»