Mit Hightech den Eiweissen auf der Spur
Welche Eiweisse schwimmen durchs Blut, wenn ein Herzinfarkt droht? Welche Stoffe werden ausgeschüttet, wenn eine parasitäre Wespe Eier in eine Raupe sticht? Mit Hilfe des neuen Massenspektrometers am Departement für Klinische Forschung kommen die Wissenschaftler hinter die Geheimnisse unbeschriebener Prozesse.
So lautet die Hypothese: Die kleinen Blutgefässe im Herzen sind mit einer Zellschicht belegt, die bestimmte Stoffe abgibt, sobald der Blutfluss stockt. Diese Stoffe erweitern die Gefässe und verhindern damit möglicherweise einen Herzinfarkt, da das Blut über die neugeöffneten Adern weiter zirkulieren kann. Die Forschungsgruppe «Thrombose und Hämostase» am Inselspital überprüft nun diese Beobachtung – und zwar mit einem Gerät neuester Generation im Labor für «Mass Spectrometry and Proteomics» am Departement für Klinische Forschung.

«Mit dem neuen, topmodernen Massenspektrometer können wir Eiweisse isolieren und nachweisen, die im vorliegenden Fall möglicherweise von den Zellen ausgeschüttet werden», erklärt Chemiker Manfred Heller. Die Medizinische Fakultät hat zusammen mit dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) das 1 Million Franken teure Orbitrap-Massenspektrometer angeschafft. «Die Stoffanalyse ist nun rund 10 bis 100 mal präziser und ebenso viel schneller als mit dem alten Spektrometer.»
Mini-Teilchen lassen sich nachweisen
Imposant steht das wuchtige Gerät am Kinderspital der Insel. Zahlreiche feine Drähte, Schläuche, Gasflaschen, digitale Anzeigen und ein Stickstoff-Generator deuten die Komplexität der darin steckenden Technik an. «Eine der hochentwickeltsten Erfindungen der letzten Jahre», kommentiert Heller die Apparatur. Mit dem neuen Massenspektrometer lassen sich Eiweisse – so genannte Proteine – und Peptide, die Grundbausteine der Proteine, im Massenbereich von hundert bis einigen 10’000 Daltons bestimmen. Als Vergleich: Ein Kohlenstoffatom hat lediglich die Masse von 12 Daltons. Aufgrund der Eigenschaften eines Peptides können die Forscher schliesslich auf das ganze Eiweiss (Protein) zurückschliessen.

Der individuelle Fingerabdruck
Doch der Reihe nach – Manfred Heller skizziert den Vorgang einer Analyse: Die Probe mit dem Ausgangsstoff wird mit Enzymen versehen, welche die enthaltenen Eiweisse in kleine Stücke (Peptide) spalten. «Eine Probe enthält schliesslich tausende von verschiedenen Peptiden», so Heller. In dieser Form gelangt die Probe in das Massenspektrometer. Nach einer ersten gröberen Aufteilung auf einer Trennsäule folgt die Feinanalyse: Die Masse dieser Peptide wird aufgrund ihrer elektrischen Ladung bestimmt. Schliesslich zeigt jedes Peptid in einem Magnetfeld ein ganz charakteristisches Bewegungsmuster. «Damit verfügt es über einen ganz individuellen Fingerabdruck.» Diese Eigenschaften der Peptide werden aus einem Kurvendiagramm ersichtlich, und eine spezielle Software vergleicht sie abschliessend mit einer Peptid-Datenbank. Auf «Swissprot» sind zum Beispiel rund 390'000 Proteine aller Spezies gespeichert – tierische, pflanzliche, bakterielle. Rund 20'000 sind menschliche.
Vom Kleinen aufs Grosse schliessen
«Ist ein Peptid einmal identifiziert, können die Forscher auf die ganze Struktur – auf das Eiweiss – zurückschliessen», fasst Heller zusammen, «und damit auf die Stoffe, die bei zellulären Prozessen involviert sind.» Damit kommen die Forschenden biologischen Mechanismen auf die Schliche – etwa den Vorgängen in den Herzgefässen bei drohendem Herzinfarkt.
Weiterführende Informationen
Im Dienste vieler Institute
bj. Das neue Massenspektrometer steht nicht nur der Medizinischen Fakultät zur Verfügung, wie der Verantwortliche Manfred Heller betont. Das Labor für «Mass Spectrometry and Proteomics» der Uni Bern verkauft seine Dienstleistungen auch an andere universitäre und privatwirtschaftliche Institute. Für die Vetsuisse-Fakultät und das Institut für Zellbiologie lieferten Heller und sein Team bereits Grundlagen für die Erforschung von Prozessen bei Parasiten-Wirt-Interaktionen. «Durch die mit dem neuen Gerät erweiterte Breite des Peptid-Spektrums können wir Forschenden verschiedenster Richtungen mit einer Vielfalt von Analysenmethoden unsere Dienste anbieten», so Heller.