Am besten immer der Nase nach

Am Anfang ist der Geruch: Bereits im Mutterleib können wir Düfte riechen. Trotzdem hat sich die Wissenschaft lange Zeit nicht um die Nase gekümmert. Heute wissen wir: Duft ruft wie kein anderer Reiz Erinnerungen und Emotionen hervor. Und er hilft uns bei der Partnersuche, wie der deutsche Geruchsforscher Hanns Hatt an einem Vortrag in Bern erklärte.

Von Matthias Abplanalp 10. Oktober 2008

Wir sollten besser auf unsere Nase hören, mahnt Hanns Hatt. Denn sonst riskieren wir eine Scheidung. Wie kommt das? Fangen wir da an, wo das Verständnis über unseren Geruchssinn aufhört: Der Mensch besitzt 1000 Geruchsrezeptoren. Davon funktionieren aber nur 350 – ein Verlust, der im Verlauf der Evolution vermutlich zu Gunsten des Farbensehens geschah. Und nur von vier dieser Rezeptoren ist der Wissenschaft bekannt, welchen Geruch sie aufnehmen. Die Geruchsforschung steckt noch in den Kinderschuhen und unser Riechorgan wurde lange Zeit unterschätzt. Vielleicht weil wir davon ausgegangen sind, dass wir die Umwelt hauptsächlich mit Augen und Ohren wahrnehmen. Welch wichtige Rolle die Nase spielt, zeigt der Vergleich mit einem anderen Organ: mit der Zunge, die nur vier verschiedene Geschmacksrichtungen unterscheiden kann – süss, sauer, salzig und bitter. «Das meiste was wir schmecken, riechen wir eigentlich», sagt Hatt.

Nicht nur der Genuss von gutem Wein geht durch die Nase: Etwa 80 Prozent dessen, was wir schmecken, riechen wir eigentlich. (Bild: istock.com)

Gerüche gehen direkt ins Gehirn

Der Biologe an der Ruhr-Universität Bochum, der für einen Vortrag ans Departement für Klinische Forschung der Universität Bern gekommen ist, versucht der Nase in Forschung und Gesellschaft zu ihrem verdienten Ansehen zu verhelfen. In den letzten zehn Jahren sei ein wahrer Quantensprung gelungen im Verständnis, wie der Geruchssinn funktioniere und wie Gerüche uns beeinflussen. Bereits länger bekannt ist, dass Nervenreize des Geruchssinns ohne Umweg direkt ins Stammhirn geleitet werden – und zwar in den Teil, wo Emotionen, Erinnerungen und Stimmungen verarbeitet werden. Was die Nase riecht, beeinflusst uns deshalb unbewusst und ist nicht steuerbar, wie sich am folgenden Beispiel zeigt: Es ist praktisch unmöglich, sich einen bestimmten Geruch in Erinnerung zu rufen. Umgekehrt rufen Düfte stärker als andere Reize Emotionen und Erinnerungen hervor.

Nicht allen stinkt’s

Erinnern können wir uns sogar an Gerüche, die wir vor unserer Geburt wahrgenommen haben. «Der Fötus kann bereits riechen», sagt Hanns Hatt. Welche Gerüche wir später mögen, wird damit zum Teil bereits im Mutterleib entschieden. Und auch später sind es persönliche Erfahrungen, die dafür verantwortlich sind, dass wir etwas als wohlriechend oder als Gestank empfinden. Vorlieben für Gerüche seien nicht angeboren, so Hatt, es gebe denn auch keinen Duft, den alle mögen.

Gegensätze ziehen sich an

Was heute die wenigsten Leute mögen, sind Körpergerüche. Daran zeigt sich die kulturspezifische Prägung des Geruchssinns. Noch vor 200 Jahren zählten körperliche Ausdünstungen zu den geruchlichen Genüssen, während wir sie heute mit Deodorant und Parfum zu verbergen versuchen. Dennoch spielt der individuelle Geruch eines jeden Menschen immer noch eine wohl wichtigere Rolle, als wir uns das eingestehen. Experimente haben gezeigt, dass wir uns von möglichen Partnern angezogen fühlen, die anders riechen als wir selbst. Und das macht durchaus Sinn. Der Riechforscher erklärt: «Verschiedene Körperdüfte weisen auf unterschiedliches Erbgut hin. Evolutionstheoretisch ist es sinnvoll, wenn das Erbgut zweier Partner voneinander möglichst verschieden ist.» So kann verhindert werden, dass rezessive Gene sichtbar werden und Erbkrankheiten auftauchen. Gehen wir bei der Partnersuche also nicht der Nase nach, riskieren wir, an den Falschen oder die Falsche zu geraten.

Ein Duft für Spermien

Im kürzlich erschienenen Buch «Das Maiglöckchen-Phänomen» ist der deutsche Geruchsforscher Hanns Hatt dem Duft der Fortpflanzung auf der Spur. Er konnte nachweisen, dass Duftrezeptoren nicht nur in der Nase, sondern auch in Spermien vorkommen. Sie weisen den Spermien den Weg zur Eizelle, die einen Duft ausströmt, der demjenigen von Maiglöckchen ähnlich ist. An seinem Vortrag in Bern präsentierte Hatt auch gleich den dazu passenden Duftblocker, der es den Spermien verunmöglicht, den Maiglöckchenduft zu riechen. Der Forscher eröffnet damit einen Denkansatz für eine hormonfreie Art der Empfängnisverhütung.