Arzt für zwei Stunden
Jeder ist ein Chirurg – zumindest in der Wanderausstellung «Moderne Chirurgie live erleben». Das «ARTORG Center for Biomedical Engineering Research» der Uni Bern präsentierte zu ihrem 175-Jahr-Jubiläum in Langenthal beeindruckende Technologien für den OP und machte den Autor – ganz nebenbei – zum Arzt.
Der Monitor zeigt ein grosses, rotes Organ. Langsam führe ich durch ein kleines Loch in der Haut eine zirka dreissig Zentimeter lange Stabschere ins Innere. Ihr Kopf ist klein und ermöglicht einen präzisen Eingriff. Nach einer minimalen Verschiebung des Endoskops, einer kleinen, mit einem Licht ausgerüsteten Schlauchkamera, kann ich das Problem erkennen: Im Organ hat sich eine Zyste eingenistet. «Wir müssen sie entfernen», meint Tina Bröhan, die Operationsleiterin. Mit Hilfe der winzigen Schere trenne ich das störende Gewebe vom Organ. Durch ein weiteres Loch wird nun eine kleine Zange eingeführt. Damit packe ich die abgetrennte Zyste und ziehe sie sorgfältig aus dem Körper. Zur Kontrolle werfe ich noch einmal einen Blick auf den Monitor: Die OP war erfolgreich.

Die «Minimal Invasive Operation»
Natürlich war dieser Eingriff nicht echt. Wir befinden uns auch nicht in einem Operationssaal, sondern in einer Bankfiliale in Langenthal. Das «ARTORG Center for Biomedical Engineering Research» der Universität Bern präsentiert hier seine Forschung und Entwicklung im Bereich der Medizinaltechnik. Die beschriebene Operation fand zwar in einer verschlossenen Schuhschachtel statt, vermochte aber eine fortschrittliche Operationstechnik sehr realitätsnah zu simulieren: die Minimal Invasive Operation MIC. Damit wird, ohne den Patienten grossflächig aufzuschneiden, innerhalb des Körpers operiert. Der Eingriff erfolgt über wenige sehr kleine Löcher, durch welche die nötigen Instrumente eingeführt werden. «Das vermindert sowohl unschöne Narben, als auch das Infektionsrisiko beim Patienten», ergänzt Tina Bröhan, die in Wirklichkeit auch nicht operiert, sondern forscht und am ARTORG doktoriert.
Die chirurgische Navigation
«Das Problem bei der Arbeit mit einem Endoskop ist die zweidimensionale Darstellung der dreidimensionalen Operationsumgebung auf dem Bildschirm», erklärt Bröhan die Herausforderung der MIC. Hier hilft die chirurgische Navigation: Mit Hilfe von zwei Infrarotkameras und sogenannten Markerschildern kann die Position von chirurgischen Instrumenten innerhalb des Körpers exakt bestimmt werden. Der Patient wird fixiert und mit einem Markerschildchen versehen. Die Kameras registrieren die Position des Körpers und der Computer rechnet Computertomographien oder Magnetresonanztomographien in ein mit dem Patienten identisches Modell um.
«Wird nun ein Operationsinstrument, das ebenfalls mit einem Markerschild versehen ist, in den Patienten eingeführt, kann die Position des Werkzeugs auf dem Monitor exakt abgelesen werden», erklärt Huanxiang Lu, ebenfalls Doktorand am ARTORG, und steckt als Demonstration einen sogenannten Pointer in einen menschlichen Schädelknochen. Auf dem grossen Monitor unter den Kameras werden nun die geladenen Tomographien und das Instrument angezeigt. «Heute können wir so schon orthopädische Operationen, also Arbeiten an Knochen, durchführen. Das Ziel ist aber, die Technologie später in allen möglichen Operationen anzuwenden», ergänzt Bröhan.

«Der Kreis schliesst sich»
Die Ausstellung lockt viele Leute an die St. Urbanstrasse in Langenthal. Einige hatten in ihrem Leben schon mit den vorgestellten Technologien zu tun: Ein alter Herr lies sich als Laie die ausgestellten Technologien erklären – bis er sich durch ein paar Fachausdrücke selbst verriet und dann mit einem Lächeln erklärte, dass er pensionierter Kardiologe sei. Zwar habe er vor allem in der Diagnostik gearbeitet, die technischen Entwicklungen im OP hätten ihn aber schon immer fasziniert. «Der Kreis schliesst sich», kommentiert Bröhan und erzählt von einem anderen Besucher, der als Feinmechaniker bei einem Endoprothesenhersteller arbeitet und sich kürzlich ein künstliches Gelenk einsetzen liess.
Joël Hafner ist Student und Redaktor des unikum, des Magazins der StudentInnenschaft der Uni Bern (SUB).