Auch Wissenschaftler lesen Asterix

Ob Klimaforschung oder Medizinaltechnik: Auch die Kinderuni Bern widmet ihre Vorlesungen dem Uni-Jubiläum. Doktorand und Asterixfan Mathias Trachsel referierte über den Gletscherschwund – und wurde von den aufgeweckten Kindern verblüfft.

Von Daniela Rölli 03. April 2009

Für einmal sind Kindervelos vor der UniS parkiert. Ein Junge betrachtet in der Mensa skeptisch den Automaten, wo Studierende ihre Legi aktualisieren können. Im Vorlesungssaal A022 vergleichen zwei Mädchen ihre Kinderuni-Legis, die mit Stempeln für jede besuchte Vorlesung gefüllt sind. «Ich nehme euch mit auf eine Reise 6000 Jahre zurück in die Vergangenheit»: Mit diesen Worten steigt Klimaforscher Mathias Trachsel in die Vorlesung ein. Und ohne Umschweife führt er die 80 Kinder anhand von zahlreichen Bildern auf den Aletschgletscher, die zeigen, wie dieser vor 150 Jahren aussah. Weiter gehts zum Fundort der Gletscherleiche Ötzi und zum Schnidejoch im Kanton Bern, wo kürzlich einer der ältesten, im ewigen Eis konservierten Schuhe der Schweiz gefunden wurde. Die acht bis zwölf Jahre alten Kinder reisen bereitwillig mit. Und als Mathias Trachsel sie fragt, wer in der Römerzeit gelebt habe, reissen sie die Arme in die Höhe.

Kinder in den Vorlesungsbänken
Sie spitzen die Ohren: Die Kinder-Studis an der Vorlesung über den Klimawandel. Bild: Zvg

«Julius Caesar», antwortet ein Knabe. «Und was hat der gemacht?», fragt der Klimaforscher. «Er hat Gallien erobert und gegen das unbeugsame Dorf gekämpft, das habe ich in den Asterix-Comics gelesen.» Das erstaunt Mathias Trachsel vom Oeschger Center for Climate Change Research nicht: «Auch ich habe früher Asterix gelesen und dadurch etwas Lateinisch gelernt», erklärt er den Kinder-Studis.

Was sagt uns eine Münze über das Klima?

Trachsel zeigt den Kindern Funde aus dem ewigen Eis, die aus der Römerzeit stammen: Münzen und kunstvoll verzierte Gewandnadeln. Die Teile einer Jagdausrüstung aus der Zeit der Pfahlbauer lassen die Kinder staunen. «Doch was hat das alles mit der Klimaerwärmung zu tun?», fragt Mathias Trachsel die Kinder und liefert als Anhaltspunkt eine weitere Frage: «Was wäre denn mit diesen Sachen passiert, hätte es dort keinen Gletscher gehabt?» «Die Jagdausrüstung wäre vermodert», erklärt ein Junge. Mathias Trachsel stimmt zu: «Genau. So sind diese Fundstücke ein Hinweis darauf, wie sich die Gletschergrösse in der Vergangenheit verändert hat». Die Gletscher gingen zurück, und diese enormen Veränderungen werden weiter zunehmen, wie nach 30 Minuten die letzte Folie des Vortrages zeigt: Auf einer Bildmontage ist ein Gletscher, der sich in den Jahren 2050 bzw. 2100 praktisch ganz zurückgezogen haben wird.

Aletschgletscher
Aufnahmen des Grossen Aletschgletschers um 1856…

Diskussion in Reinkultur

«Wenn man diese Bilder sieht, hat man fast das Gefühl, der Gletscherschwund hört gar nie auf», stellt ein Junge in der Fragerunde fest. Das stimme, aber ein verantwortungsvoller Umgang mit der Umwelt könne diesen Prozess verlangsamen, hält der Klimaforscher entgegen. Ein Junge erwidert, dass man im Jahr 2100 zum Beipiel viel mehr Solarenergie nutzen werde. «Das ist ein guter Ansatz», meint Mathias Trachsel. Ein anderer Knabe meint aber, Solarzellen seien heute noch viel zu teuer und schlägt daher vor, dass die Menschen sich einen anderen Planeten suchen sollten. So geht das Frage- und Antwortspiel weiter, die Kinder verblüffen mit ihrem Wissensdurst und ihrer Ausdrucksweise.«In der Schule sind solche Diskussionen oftmals nicht möglich, der Lehrplan ist fix und lässt wenig Raum für die gemeinsame Entwicklung von Ideen», sagt Kinderuni-Koordinatorin Carol Rosa nach der Vorlesung. Die Kinderuni wolle daher den Kindern die Möglichkeit geben, ihre Ideen zusammen mit den Dozierenden weiterzuspinnen.
 

Aletschgletscher
…und im 2002 beweisen den drastischen Gletscherschwund in den letzten 150 Jahren. Bild aus Holzhauser H., Magny M., Zumbühl HJ. 2005

Vife Kinder fordern

Doktorand Trachsel wurde von den Kindern mit Fragen durchlöchert und die Vorlesung machte ihm sichtlich Spass: «Ich gebe selber keine Vorlesungen, halte aber öfters Vorträge, auch vor Jugendlichen», so der Forscher. «Im Gegensatz zu den Jugendlichen oder Studierenden, wo man nach einer Frage eine Minute auf eine Antwort wartet, war diese Erfahrung mit den vifen Kindern toll.»

Wie hat Trachsel sich auf die Veranstaltung vorbereitet? «Ich habe mir überlegt, was die Kinder schon wissen, und was ich ihnen rüberbringen kann», antwortet der Klimaforscher. Er habe sich darauf konzentriert, den Kindern den Klimawandel anhand der Gletscherschmelze zu erklären und damit auf die Verantwortung des Menschen für das Klima hinzuweisen. Für Mathias Trachsel ist klar: Hätte es die Kinderuni schon gegeben, als er in die Primarschule ging, wäre auch er dabei gewesen.

Daniela Rölli ist Studentin und Redaktorin des unikum, des Magazins der StudentInnenschaft der Uni Bern (SUB).