Berner Geologen nutzen Tropfsteine als Klimaarchiv
Mit Hilfe von Tropfsteinen aus der Türkei haben Berner Forscher das Klima der letzten 50'000 Jahre rekonstruiert. Die Methode ist viel genauer als Datierungen mit Eisbohrkernen. Sie zeigt, dass rasante Temperatursprünge wohl in zufälligen Abständen auftraten.
Die Wissenschaftler um Dominik Fleitmann vom Institut für Geologie und dem Oeschger-Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern untersuchten das zeitliche Auftreten von so genannten Dansgaard-Oeschger-Ereignissen. Bei diesen plötzlichen Klimaschwankungen konnte die Temperatur innerhalb von wenigen Jahrzehnten um bis zu zehn Grad ansteigen. Vor allem anhand von Eisbohrkernuntersuchungen in Grönland fanden Forscher bislang rund zwei Dutzend solcher Ereignisse, die in der letzten Eiszeit vor 110'000 bis 23'000 Jahren stattfanden. Allerdings hätten Eisbohrkerne den Nachteil, dass sie nur ungenaue Datierungen lieferten, so Fleitmann.

Präzise Altersbestimmung
Fleitmann und seine Kollegen nutzten nun eine genauere Methode. Sie analysierten drei Stalagmiten aus zwei Höhlen im Nordwesten der Türkei. Bei einer Probe von vor 50'000 Jahren könne das Alter auf rund 140 Jahre genau bestimmt werden, sagte Fleitmann. Bei Eisbohrkernen liege die Abweichung dagegen bei 800 bis 1000 Jahren. Die Forscher fanden denn auch deutliche Unterschiede, wie sie im Fachmagazin «Geophysical Reviews Letters» berichten: Das Auftreten der Klimaschwankungen wich zum Teil um mehrere Jahrhunderte von der Eisbohrkern-Chronologie ab. Die neuen Daten widersprechen auch einer verbreiteten Theorie über die Dansgaard-Oeschger-Ereignisse.
Manche Wissenschaftler behaupten nämlich, die Klimaereignisse seien in periodischen Abständen von etwa 1500 Jahren aufgetreten. «Eine solche Regelmässigkeit ist bei unseren Daten nicht zu sehen», sagt Fleitmann. Das spreche eher dagegen, dass die Schwankungen durch solare Zyklen verursacht wurden, sondern für riesige Eisbrocken, die von Gletschern ins Wasser «gekalbt» wurden.

Uran als Uhr
Tropfsteine sind versteinertes Wasser. Auf ihrem Querschnitt zeichnen sich Ringe ab – ähnlich wie bei Bäumen. Um das Alter der Ringe zu bestimmen, nutzen die Forscher die Tatsache, dass in den Stalagmiten Uran abgelagert wird, das aus Boden und Fels stammt. Im Lauf der Zeit zerfällt das Uran zu Thorium und dann zu Blei. Das bedeutet: Je älter eine Stalagmiten-Probe, desto weniger Uran ist in ihr enthalten, dafür umso mehr Thorium. Anhand der Zusammensetzung der Elemente Sauerstoff und Kohlenstoff in der Probe konnten die Forscher dann bestimmen, wie viel Niederschlag zu einem bestimmten Zeitpunkt gefallen war und wie warm es damals war.

Stalagmiten seien ein phantastisches Klimaarchiv, sagt Fleitmann. Auf der Arabischen Halbinsel gebe es Tropfsteine, die zwei bis drei Millionen Jahre alt seien. Zudem existieren sie überall auf der Welt. Das ermöglicht es den Forschern, Daten aus Regionen zu sammeln, die für Eisbohrkerne zu warm sind.