«DAS Fest» mit Jazz, Quallen und Albträumen
Eine improvisierte Vorlesung in der UniS, ein grosses Jazzkonzert in der Aula des Hauptgebäudes und ein begeisternder «Poetry-Slam-Final» in der Unitobler. Ein Student, in seinem Alltagstrott verhaftet, begeht «DAS Fest».
Wer die UniS an diesem Abend betritt, dem wird schnell klar: Für einmal soll sie nicht ein Ort volkswirtschaftlicher Zahlenjonglierei und rechtswissenschaftlicher Paragraphenakrobatik sein – heute gehört sie der richtigen Kunst, es steigt «DAS Fest». Viel Zeit die ungewohnte Szenerie zu betrachten, bleibt allerdings nicht: Aus einer gewissen nostalgischen Neigung gegenüber meines Studierendenalltags will ich einer Vorlesung beiwohnen. Diese hier ist allerdings anders als jene im Studium: Sie ist improvisiert. Böse Zungen könnten behaupten, dass dies in ihren Vorlesungen nicht anders sei. Hier der wesentliche Unterschied: Die Dozierenden haben vom Stoff, den sie vermitteln sollen, keinen blassen Schimmer.

Keine Ahnung haben und trotzdem dozieren: Die Impro-Vorlesungen waren der Renner. (Bilder: Michael Siegenthaler)
Es sind kühne Freiwillige, die aus Vorlesungs-Präsentationen eine auswählen und diese den Zuschauerinnen und Zuschauern vortragen. Powerpoint-Karaoke quasi – nur, dass das Publikum die Präsentation nicht sehen kann. Der Clou: Die Powerpoint-Folien stammen von echten, an der Uni Bern gehaltenen Vorlesungen. So lernen die Zuhörerinnen und Zuhörer beispielsweise in höchstem Masse interessante und relevante Ausprägungen altvorderchinesischer Sprachphänomene kennen. Lacher gibt es aber vor allem, wenn die Referentinnen und Referenten – selbstverständlich überspitzt – professorale Gestik und Ausdrucksweise imitieren.
Die Aula als Konzertsaal
Noch erheitert ob des ironischen Gegenprogramms zum Studi-Alltag, führt mich der Zufall beim Verlassen der UniS im Untergeschoss an der ProfessorInnen-Bar vorbei – erblicke ich einen meiner echten Powerpoint-Artisten beim Bierausschenken. Es geht aber gleich weiter ins Hauptgebäude. Der Weg ist bekannt, dieses Semester mindestens viermal pro Woche zurückgelegt. Heute ist aber alles etwas anders: Der Eingang ist blau beleuchtet, die Treppe hinauf führt an einer «Guggemusig» vorbei, in der Aula spielt gerade die Uni Big Band ihr erstes Stück. Auch die Aula ist illuminiert, in Rot und Gelb getaucht, erhält der altehrwürdige Raum das Ambiente eines grossen Konzertsaals – die mahnende Vorlesungssaal-Stimmung ist wie weggewischt. Und es ist grosses Jazzkino, das einem da geboten wird – die Big Band groovt, und dem zahlreichen Publikum gefällt es.
Jazz vom Feinsten gab es in der altehrwürdigen Aula.
Der Papst ist eine Qualle
Dann gehts ab an die Unitobler. Wieder an eine Art Vorlesung. Der Saal ist derart gefüllt, dass in den Sitzreihen gestanden werden muss. Drängeln, um in einen Vorlesungssaal zu kommen, ist zwar eine ganz neue Erfahrung, sollte sich allerdings bezahlt machen. Der «Poetry Slam»-Final bietet Sprachakrobatik und Witz auf höchstem Niveau. Von den ursprünglich acht Teilnehmern sind nur noch vier dabei. Den ersten Halbfinal gewinnt der Deutsche Nico Semsrott, obwohl er das Publikum mit dem Satz begrüsst: «Neulich haben Neurologen herausgefunden, dass Zuhörer den ersten Satz eines Vortrages nicht verstehen. Ihr Penner!»

Remo Rickenbacher gewann den «Poerty Slam»-Final: Er erklärte, was die Alp mit dem Albtraum zu tun hat.
Sein Gegner im Final ist der junge Thuner Remo Rickenbacher, der in seinem Halbfinal-Beitrag darüber berichtet, wie er in einem Club seine geliebte Natacha antrifft und sich dann eine raffinierte Anmachstrategie zurechtlegt. Er will sie mit Werbeparolen ansprechen – weil diese ja so verführend sind. Der grosse Final zwischen den Beiden ist heiss umkämpft. Nico Semsrotts Thema sind Quallen: Manche Menschen sind hohl, ergo Hohlmenschen, gleich Hohltiere, gleich Quallen. Und so wird auch der Papst zu einer Qualle. Das hat Semsrott aus zuverlässiger «Qualle». Dem entgegnet Remo Rickenbacher mit einem Text zum Wort Albtraum, das früher Alptraum geschrieben wurde. Er erklärt, wieso er, der das Wort Albtraum ist, an der neuen Rechtschreibung zugrunde ging. Diese semantische Kreativität wird vom Publikum honoriert: Frenetischer Applaus bringt Rickenbacher einen knappen Sieg gegen Semsrott – und damit eine Flasche Whisky.
Zum Autor
Michael Siegenthaler ist Student und Redaktor des unikum, des Magazins der StudentInnenschaft der Uni Bern (SUB).